Katholische Kirche, Missbrauch und der RICO Act: ein ungelöstes Dilemma?

Die nicht abreissenden und umfangreichen Missbrauchsskandale in kirchlichen Institutionen weltweit und das Gesetz zur Bekämpfung organisierter Kriminalität in den USA, bekannt als der RICO Act, werfen ernsthafte Frage auf: Warum werden institutionelle Kirchen, die ihre Priester trotz bekannter Verbrechen schützen, nicht nach dem RICO Act verfolgt und verurteilt?

Warum werden institutionelle Kirchen, die ihre Priester trotz bekannter Verbrechen schützen, nicht nach dem RICO Act verfolgt und verurteilt? Illustration: Daniel Frei

Daniel Frei – In den USA, Irland, Australien, Deutschland, der Schweiz, Portugal, Spanien, Italien und vielen anderen Ländern haben umfassende Untersuchungen und Enthüllungen eine erschreckende Realität von Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche aufgedeckt. Die Enthüllungen dieser Verbrechen, die sich über Jahrzehnte erstrecken, haben eine tiefe und schmerzhafte Wunde in den Gemeinschaften hinterlassen, insbesondere bei den Überlebenden und ihren Angehörigen. Die Tatsache, dass diese Verbrechen häufig systematischer Natur waren und durch die Kirchenführung vertuscht wurden, zeigt deutliche Parallelen zu organisierten kriminellen Handlungen, die der RICO Act zu bekämpfen sucht. Trotz dieser erschütternden Parallelen wurden die institutionellen Kirchen für diese Vergehen bisher nicht nach dem RICO Act strafrechtlich verfolgt.

Der RICO Act und seine Anwendung auf kirchliche Institutionen

Der RICO Act, ein Gesetz, das ursprünglich zur Bekämpfung der Mafia und anderer organisierter krimineller Gruppen eingeführt wurde, zielt darauf ab, kriminelle Organisationen zu bekämpfen, die in Muster von Korruption, Bestechung, Erpressung und anderen schwerwiegenden Verbrechen verwickelt sind. In Anbetracht der weitreichenden Missbrauchsfälle und der Vertuschungen in der katholischen Kirche stellt sich die Frage, warum dieses Gesetz nicht zur Anwendung kommt? Diese Institutionen haben in vielen Fällen nicht nur versagt, die Täter:innen zur Rechenschaft zu ziehen, sondern auch aktiv Massnahmen ergriffen, um die Verbrechen zu verbergen und die Täter:innen zu schützen.

Rechtliche und ethische Fragen zur Nichtanwendung des RICO Act

Diese Situation wirft ernsthafte Fragen auf, die weit über juristische Überlegungen hinausgehen. Wenn der RICO Act dazu dient, organisierte kriminelle Aktivitäten zu bekämpfen, warum wird er dann nicht auf grosse religiöse Institutionen angewendet, die systematisch Verbrechen vertuschen und Täter:innen schützen? Liegt es an einem Mangel an politischem Willen, oder gibt es rechtliche Einschränkungen, die die Anwendung dieses Gesetzes auf religiöse Institutionen verhindern? Könnte die historische und kulturelle Bedeutung dieser Institutionen eine Rolle bei der Zurückhaltung spielen, sie nach dem RICO Act zu belangen? Diese Fragen sind besonders dringlich, da die Opfer dieser Verbrechen und ihre Familien nach Gerechtigkeit und Anerkennung ihres Leids suchen.

Das Gefühl der Ungerechtigkeit und die Notwendigkeit der Gerechtigkeit

Die Nichtverfolgung dieser Institutionen nach dem RICO Act muss bei den Opfern und ihren Familien ein tiefes Gefühl der Ungerechtigkeit hinterlassen. Es stellt die Effektivität und den Anwendungsbereich des Gesetzes infrage und wirft Bedenken hinsichtlich der Gleichbehandlung von Organisationen und Institutionen auf. In einer Gesellschaft, die sich auf die Prinzipien der Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit stützt, ist es unerlässlich, dass alle, unabhängig von ihrem Status oder ihrer Macht, nach denselben rechtlichen Massstäben beurteilt werden. Diese Fälle von Missbrauch in kirchlichen Institutionen sind nicht nur kriminelle Handlungen, sondern sie stellen auch einen massiven Vertrauensbruch gegenüber den Gemeinschaften dar, die diese Institutionen unterstützen und ihnen vertrauen.

Die Rolle der Gesellschaft und des Rechtssystems

Die Forderung nach Transparenz, Gerechtigkeit für die Opfer und die Entwicklung von Konzepten und Instrumenten zur Verhinderung zukünftiger Missbrauchsfälle bleibt ein drängendes Anliegen. Es ist unerlässlich, dass nicht nur die Täter:innen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch jene, die durch ihr Schweigen oder ihre aktiven Vertuschungsmassnahmen zur Fortsetzung dieser Verbrechen beigetragen haben. In dieser Hinsicht ist es entscheidend, dass die Gesellschaft, einschliesslich der juristischen Systeme, die erforderlichen Schritte unternimmt, um sicherzustellen, dass solche Verbrechen aufgedeckt und entsprechend geahndet werden.

Wiederherstellung des Vertrauens in kirchliche Institutionen

Die Missbrauchsfälle in kirchlichen Institutionen müssen nicht nur unermessliches Leid für die Betroffenen und ihre Angehörigen verursacht, sondern sie haben auch das Vertrauen in diese Institutionen tief erschüttert. Eine effektive Aufarbeitung und Verfolgung dieser Verbrechen sind daher nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch ein entscheidender Schritt zur Wiederherstellung dieses Vertrauens. In diesem Kontext bleibt die Frage, warum der RICO Act nicht auf diese Institutionen angewendet wird, eine quälende und noch unbeantwortete Herausforderung im Kampf gegen organisierte kriminelle Aktivitäten und im Streben nach Gerechtigkeit für die Opfer.