Organspende in der Schweiz: löst das Organspende-Tattoo von OPT.INK das Problem mangelnder Spender:innen?

Die Schweiz hat Schwierigkeiten bei der Organspende: Rund 1’500 Menschen warten auf ein lebensrettendes Organ, doch die Spendenrate ist gering. Eine innovative Lösung könnten Organspende-Tattoos sein, die sichtbar machen, dass eine Person Organspender:in ist. Dies könnte die Entscheidungsfindung im Ernstfall erleichtern und die Spendenbereitschaft erhöhen.

OPT.INK: Durch eine kreative und sichtbare Lösung wie das Organspende-Tattoo könnte die Schweiz einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Organspendesituation machen. Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Die Schweiz hat im Bereich der Organspende seit Jahren mit Herausforderungen zu kämpfen. Trotz des grundsätzlich hohen Bedarfs an Spenderorganen gibt es immer wieder Engpässe. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) warten in der Schweiz etwa 1’500 Menschen auf ein lebensrettendes Organ. Die Organspendenrate liegt im europäischen Vergleich eher im Mittelfeld. Die Hauptursache für die niedrige Spendenrate ist der Mangel an registrierten Organspender:innen und die komplexe Entscheidungslage der Angehörigen im Ernstfall.

Modelle der Willensäusserung zur Organspende in der Schweiz

Mein Wille zur Organspende

In der Schweiz gibt es verschiedene Modelle, wie man seinen Willen zur Organspende äussern kann. Am 15. Mai 2022 stimmten die Schweizer:innen über ein neues Transplantationsgesetz ab und nahmen die erweiterte Widerspruchslösung an, die frühestens 2025 eingeführt wird. Bis dahin gilt die erweiterte Zustimmungslösung.

Erweiterte Zustimmungslösung (aktuell gültiges System)

Derzeit müssen die Angehörigen entscheiden, wenn keine Willensäusserung der verstorbenen Person vorliegt. Oft wird dann im Zweifelsfall gegen die Organspende entschieden.

Enge Zustimmungslösung

Hier werden nur dann Organe entnommen, wenn die verstorbene Person ausdrücklich zugestimmt hat. Liegt keine Zustimmung vor, wird dies als Ablehnung betrachtet.

Erweiterte Widerspruchslösung (neues System ab 2025)

In Zukunft muss man festhalten, wenn man keine Organe spenden möchte. Ohne eine solche Erklärung wird angenommen, dass man mit der Organspende einverstanden ist. Die Angehörigen können widersprechen, wenn sie wissen, dass die verstorbene Person keine Organspende wollte. Dieses System entlastet die Angehörigen und gibt ihnen dennoch Mitspracherecht.

Organspende-Tattoos: innovative Lösung?

Das Konzept des Organspende-Tattoos, wie es von der deutschen Initiative OPT.INK vorgeschlagen wird, könnte eine innovative Lösung sein. Die Initiative zielt darauf ab, Menschen durch ein Tattoo sichtbar als Organspender:in zu kennzeichnen. Das Tattoo fungiert als klar sichtbare Zustimmung zur Organspende, was die Entscheidung für Angehörige und medizinisches Personal erleichtern soll.

Das Organspende-Tattoo könnte primär in Situationen, in denen ein schriftlicher Organspendeausweis nicht sofort verfügbar ist, lebensrettend sein. Das Tattoo ist dauerhaft auf der Haut der spendenden Person angebracht, in der Regel an gut sichtbaren Stellen wie dem Handgelenk oder dem Unterarm. Dies bedeutet, dass im Falle eines Unfalls oder plötzlichen Todes sofort klar ist, dass die Person ihre Organe spenden möchte. Dies kann die Zeit verkürzen, die normalerweise benötigt wird, um die Zustimmung zur Organspende durch Angehörige zu erhalten, und erhöht so die Chancen auf eine erfolgreiche Transplantation.

In Deutschland wird diese Idee bereits von Prominenten und Politiker:innen unterstützt, die sich selbst solche Tattoos stechen liessen, um das Bewusstsein für Organspende zu erhöhen. Dies zeigt, dass es eine gesellschaftliche Akzeptanz und eine wachsende Unterstützung für diese Art der Willensbekundung gibt. Für die Schweiz könnte eine ähnliche Kampagne gestartet werden, um das Bewusstsein und die Akzeptanz zu fördern. Allerdings müssten auch rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um sicherzustellen, dass ein Organspende-Tattoo als verbindliche Willenserklärung anerkannt wird.

Studien und wissenschaftliche Überlegungen

Studien zeigen, dass der Hauptgrund für die geringe Anzahl von Organspenden oft das Fehlen einer klaren Willensäusserung der potenziell spendenden Person ist. Eine im Journal of Medical Ethics veröffentlichte Studie fand heraus, dass klare visuelle Hinweise, wie ein Organspende-Tattoo, das Bewusstsein und die Bereitschaft zur Organspende erhöhen könnten. Zudem könnte die visuelle Auffälligkeit eines Tattoos das Gespräch über Organspende in Familien und sozialen Kreisen anregen.

Potenziale und Herausforderungen für die Schweiz

Für die Schweiz könnte das Modell der Organspende-Tattoos eine innovative Ergänzung zum bestehenden System sein. Da Tattoos in der Schweiz gesellschaftlich akzeptiert und verbreitet sind, könnte dies eine neue Welle von potenziellen Spender:innen mobilisieren. Wichtig wäre jedoch die offizielle Anerkennung solcher visuellen Markierungen durch Gesundheitsbehörden und die Einbindung der Angehörigen in den Entscheidungsprozess.

Fazit

Die Einführung von Organspende-Tattoos in der Schweiz könnte die Organspendenbereitschaft signifikant erhöhen und somit Leben retten. Eine erfolgreiche Implementierung erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsbehörden, medizinischen Fachkräften und der Bevölkerung, um die rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen zu klären.

Quellen