(M)eine Reise durch Japans Geschäftstraditionen: Respekt und Ritual im Geschäftsalltag.

Japan, geprägt von tief verwurzelten Traditionen und Ritualen, reflektiert diese in alltäglichen Bräuchen bis hin zur Geschäftswelt. Trotz Bemühungen um Verständnis und Anpassung, bleiben Nicht-Japaner:innen in den meisten Fällen Aussenstehende, «Gaijin». Doch das Verstehen dieser Kultur kann entscheidend sein für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen. In diesem Artikel führe ich Sie durch essenzielle Geschäftsrituale, die ich auf meiner Reise nach Japan erfahren habe; von der Bedeutung einer tiefen Verbeugung, über den formellen Visitenkartenaustausch, bis hin zur Kunst des indirekten Kommunizierens und der Bedeutung von Geschenken.

 

Japan: Tradition und Moderne. Bild: Daniel Frei

Daniel Frei - Japan ist eine Kulturnation mit jahrhundertelangen Traditionen und Ritualen. Diese spiegeln sich in Alltag, Feiertagen, Bräuchen und in der Geschäftswelt wider. In diesem Artikel nehme ich Sie mit auf (m)eine Reise durch die typischen Geschäftsrituale, die in Japan von grosser Bedeutung sind.

 

Rei - Verbeugung (礼)

Eine traditionelle Art der Begrüssung und des Zeigens von Respekt. Je tiefer die Verbeugung, desto grösser der Respekt.

 

Meishi kōkan - Visitenkarten-Austausch (名刺交換)

Visitenkarten werden mit beiden Händen überreicht und erhalten, wobei die Schrift zum Empfänger zeigt. Die Visitenkarten wird umgehend studiert und bewundert und anschliessend nicht weggesteckt, sondern vor sich auf dem Tisch hingelegt.

 

Seibi fuku - Geschäftskleidung (正装)

In der Regel formell: dunkle Anzüge für Männer und konservative Kostüme für Frauen.

 

Kaisō - Respekt vor der Hierarchie (階層)

Ältere oder höher gestellte Personen werden zuerst angesprochen und besonders respektiert.

 

Shokuji kaigi - Geschäftsessen (食事会議)

Geschäftsessen sind sowohl für die Beziehungspflege als auch für Geschäftsbesprechungen wichtig. Hierbei ist die richtige Etikette entscheidend. Und ein kleines, aber wichtiges Detail: Alkohol in Massen. Das Trinken ist in der japanischen Geschäftswelt stark verankert und gehört zu Geschäftsessen dazu, oft auch in ausufernden Massen. Es ist jedoch verpönt, über den Durst zu trinken, an- oder betrunken zu sein.

 

Wa o tamotsu - Harmonie bewahren (和を保つ)

Konflikte werden oft vermieden, um die Harmonie innerhalb eines Teams oder zwischen Geschäftspartnern zu bewahren.

 

Kansetsu-teki komyunikēshon - Indirekte Kommunikation (間接的コミュニケーション)

Direkte Ablehnung oder Kritik wird oft vermieden. Stattdessen wird versucht, die Meinung auf eine indirekte und höfliche Weise zu vermitteln.

 

Zōtō - Geschenke überreichen (贈答)

Geschenke sind ein Zeichen von Dankbarkeit und Respekt, auch in Japan. Dabei sollte die Verpackung neutral und hochwertig sein. Es ist üblich, Geschenke nicht sofort in Anwesenheit des Schenkenden zu öffnen, es sei denn, der Schenkende besteht ausdrücklich darauf. Dies ist aus mehreren Gründen so:

  • Zurückhaltung und Bescheidenheit: Das sofortige Öffnen eines Geschenks könnte als übermässig eifrig oder ungeduldig betrachtet werden.

  • Vermeiden von unmittelbaren Reaktionen: Das Verschieben des Öffnens gibt der beschenkten Person Zeit, es privat zu betrachten und darauf zu reagieren, ohne dass sie/er sich gezwungen fühlt, sofort eine Reaktion zu zeigen. Dies verhindert mögliche peinliche Situationen, falls das Geschenk nicht gut ankommt.

  • Respekt für die schenkende Person: Das Warten, bevor man das Geschenk öffnet, zeigt Respekt für die Geste des Schenkenden und den Gedanken und die Mühe, die in das Geschenk investiert wurden.

Wenn Sie in Japan ein Geschenk erhalten, ist es also eine gute Praxis, dem Schenkenden zu danken und das Geschenk beiseitezulegen, um es später zu öffnen. Wenn Sie jedoch spüren, dass der Schenkende möchte, dass Sie es sofort öffnen, können Sie dies natürlich tun. Es ist immer eine gute Idee, sich an den sozialen Hinweisen und dem Kontext zu orientieren.

 

Min-i keiei - Konsensbasierte Entscheidungsfindung (民意経営)

Entscheidungen werden häufig erst nach Rücksprache und Einverständnis aller Beteiligten getroffen.

 

Iie o sakanobiru - Vermeidung von «Nein» (いいえを避ける)

Ein direktes «Nein» wird oft vermieden. Stattdessen werden Ausdrücke verwendet, die andeuten, dass etwas schwierig oder zu überlegen ist.

 

Diese Geschäftsgepflogenheiten sind nur ein winziger Teil dessen, was die japanische Geschäftskultur in meinen Augen so einzigartig macht. Wer sich die Zeit nimmt, sie zu verstehen und zu respektieren, wird sicherlich einen grossen Vorteil in seinen Geschäftsbeziehungen in Japan haben, auch wenn wir als Nicht-Japaner:innen «*Gaijin» bleiben.

*Gaijin: In Japan werden Nicht-Japaner:innen häufig als «外国人» (Gaijin) bezeichnet, was wörtlich «Ausländer» oder «Fremder» bedeutet. Es gibt auch eine höflichere und formellere Bezeichnung: «外国の方» (Gaikoku no kata), was so viel wie «Person aus einem anderen Land» bedeutet. Es ist zu beachten, dass, obwohl «Gaijin» in vielen Kontexten neutral verwendet wird, es in manchen Fällen als abwertend oder unhöflich empfunden werden kann, je nach Kontext und Betonung. «Gaikoku no kata» wird oft bevorzugt, wenn man versucht, besonders respektvoll zu sein.