Was wir wollen, brauchen und schlussendlich kriegen

Wir navigieren, oszillieren, ständig zwischen unseren Wünschen, Bedürfnissen und dem, was wir letztlich erhalten. Dieser dynamische Prozess ist zentral für unser Verständnis des menschlichen Verhaltens und der psychologischen Anpassung. In diesem Text erkunde ich die Semantik von Wollen, Brauchen und Bekommen, beleuchte die psychologischen und philosophischen Unterschiede und diskutieren, warum das Auseinanderfallen dieser Aspekte nicht immer negativ sein muss.

Genug jetzt. Künstler:in unbekannt Fotografie: Daniel Frei

Genug jetzt. Künstler:in unbekannt Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Wir stehen häufig vor der Herausforderung, unsere Wünsche, Bedürfnisse und das, was wir letztlich erhalten, in Einklang zu bringen. Diese drei grundlegenden Aspekte menschlichen Strebens – Wollen, Brauchen und Bekommen – sind nicht nur zentrale Themen in der Psychologie, sondern auch Schlüsselkonzepte, die unseren Alltag prägen. Während das «Wollen» unsere Sehnsüchte und Ambitionen widerspiegelt, bezieht sich das «Brauchen» auf unsere fundamentalen, lebensnotwendigen Anforderungen. «Bekommen» hingegen beschreibt das Ergebnis unserer Bemühungen und der Umstände, denen wir begegnen.

Semantische Grundlagen: Wollen, Brauchen, Bekommen

Wollen

Das Wollen bezieht sich auf unsere Wünsche und Sehnsüchte – Dinge, die wir aus persönlichem Interesse oder zur Steigerung unseres Wohlbefindens anstreben. Laut der Motivationstheorie von Maslow kann das Wollen sowohl grundlegende Bedürfnisse als auch höhere Bestrebungen wie Selbstverwirklichung umfassen.

Brauchen

Im Gegensatz zum Wollen spricht das Brauchen essenzielle, oft überlebensnotwendige Anforderungen an. Diese Bedürfnisse sind tiefer verankert und weniger verhandelbar. In der Psychologie werden Bedürfnisse oft als treibende Kräfte hinter dem Wollen gesehen, was darauf hindeutet, dass unsere Wünsche oft durch tiefere, fundamentale Bedürfnisse motiviert sind.

Bekommen

Das Bekommen ist die Erfüllung oder das Ergebnis unserer Anstrengungen und Umstände. Es ist das Endprodukt einer Kette von Ereignissen, Entscheidungen und Einflüssen, das nicht immer unseren ursprünglichen Wünschen oder Bedürfnissen entspricht.

Die Diskrepanz zwischen Wollen, Brauchen und Bekommen

Ein Kernthema in der Psychologie ist die Betrachtung, wie Menschen mit der Diskrepanz zwischen ihren Wünschen, Bedürfnissen und den tatsächlichen Ergebnissen umgehen. Studien zeigen, dass eine zu grosse Kluft zwischen Erwartung und Realität zu Frustration und Unzufriedenheit führen kann. Ein Beispiel hierfür ist die «Expectancy-Value Theory», welche besagt, dass die Motivation, ein Ziel zu verfolgen, nicht nur von der Wertigkeit des Zieles, sondern auch von der erwarteten Erfolgswahrscheinlichkeit abhängt.

Philosophisch betrachtet führt die Auseinandersetzung mit dem, was wir bekommen, im Idealfall zu einer Form der Akzeptanz. Stoiker wie Epiktet argumentieren, dass Glück darin besteht, unsere Reaktionen auf die Dinge zu kontrollieren, die wir nicht ändern können. Diese Haltung hilft uns, Enttäuschungen zu bewältigen und fördert eine gesündere Anpassung an unsere Realität.

Die hedonistische Tretmühle

Die Forschung zum hedonistischen Tretmühleneneffekt (auch hedonistische Adaptation) zeigt, dass Menschen nach dem Erreichen eines lang ersehnten Zieles oft nicht dauerhaft glücklicher werden. Dies legt nahe, dass das ständige Streben nach mehr oder Besserem, ein Merkmal des menschlichen Wollens, möglicherweise eine natürliche Anpassungsstrategie darstellt, die uns motiviert hält, aber nicht unbedingt zufriedener macht. Studien zur psychologischen Resilienz zeigen weiter, dass Menschen, die gelernt haben, ihre Erwartungen zu moderieren und mit den Ergebnissen umzugehen, oft besser angepasst sind und höhere Zufriedenheitsniveaus berichten. Diese Fähigkeit, Anpassungen vorzunehmen und realistische Erwartungen zu setzen, ist zentral für das langfristige Wohlbefinden.

Die positive Seite der Diskrepanz

Die Diskrepanz zwischen Wollen, Brauchen und Bekommen ist nicht zwangsläufig negativ. Sie kann eine Quelle der persönlichen Entwicklung und des Lernens sein. Das Navigieren durch diese Unterschiede zwingt uns, unsere Werte zu überdenken, Prioritäten zu setzen und letztlich resilienter zu werden. Dieser Prozess der Anpassung und des Wachstums ist integraler Bestandteil der menschlichen Erfahrung und trägt dazu bei, dass wir nicht nur überleben, sondern auch als Individuen wachsen und gedeihen.