Das Drama des Geschenkeverpackens: über eine Kunst, die ich nie beherrscht habe

Es gibt zwei Arten von Menschen in der Weihnachtszeit: Die, die mit präzisen Falten, kunstvollen Schleifen und makellosen Kanten kleine Meisterwerke schaffen – und mich, den zerknitterten Rebellen, der ein Geschenk so verpackt, dass es aussieht, als hätte es eine besonders turbulente Reise durch den Staubsauger hinter sich.

Es gibt Menschen, die das Geschenkeverpacken zu einer Kunstform erhoben haben. Ihre Päckchen sind kleine Meisterwerke, Symphonien aus Papier und Schleifen, die im Einklang zu leuchten scheinen. Und dann gibt es mich. Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Es gibt Menschen, die das Geschenkeverpacken zu einer Kunstform erhoben haben. Ihre Päckchen sind kleine Meisterwerke, Symphonien aus Papier und Schleifen, die im Einklang zu leuchten scheinen. Und dann gibt es mich. Jedes Jahr aufs Neue tappe ich in die Falle der Illusion, dass dieses Mal alles anders wird – nur um am Ende mit einem Resultat dazustehen, das an einen unfreiwilligen Angriff auf ein unschuldiges Stück Geschenkpapier erinnert. Mit zittrigen Händen präsentiere ich meine misslungenen Werke, die aussehen, als hätte ein Hund damit gespielt, sie dann im Garten vergraben und nach einem ausgiebigen Kauen und Verdauen schliesslich wieder zum Vorschein gebracht.

Worauf läuft das hinaus? Ich habe das Gefühl, es gibt dafür keine angemessenen Worte in der deutschen Sprache. Vielleicht wäre hier ein japanischer Ausdruck angebracht. So wie «tsundoku» die Kunst beschreibt, Bücher zu kaufen und sie dann ungelesen herumliegen zu lassen, benötigen wir einen Begriff für das groteske Scheitern beim Einpacken von Geschenken. Vielleicht «furoshizuwama» – das unermüdliche, aber vergebliche Bemühen, etwas ästhetisch Perfektes zu schaffen, nur um im Chaos zu enden.

1. Kapitel: Die Materialienlüge

Es fängt schon mit den Materialien an. Jedes Jahr steht man vor einer schillernden Auswahl an Papieren, Schleifen und Klebeband. Man entscheidet sich für das teuerste Papier – glänzend, dick, wunderschön bedruckt – in der Hoffnung, dass dieses Material die eigene Unfähigkeit ausgleichen könnte. «Wenn das Papier so schön ist, kann ich es gar nicht verhunzen», denkt man sich, voller naivem Optimismus. Die Realität? Ein anderes Kapitel.

Was auf der Verpackung aussieht wie ein Versprechen auf handwerkliche Eleganz, wird in meinen Händen zu einem Albtraum. Das Papier zerreisst, die Schleifen wickeln sich ineinander, und das Klebeband scheint plötzlich eine Seele zu entwickeln – es haftet an allem, nur nicht am Geschenkpapier. Und dann der Moment, in dem man realisiert, dass man viel zu wenig Papier abgeschnitten hat. Was tun? Eine zweite, kleinere Schicht Papier darüberlegen? Vielleicht noch eine dritte? Letztlich sieht es aus wie ein Flickenteppich, und das «Geschenk» gleicht mehr einem Paket, das nach dem Versand durch drei Kontinente und fünf Zollstationen wieder beim Absender gelandet ist.

2. Kapitel: Die Illusion des geometrischen Geschenks

Man könnte bestimmt denken, dass das Einpacken von rechteckigen Gegenständen – wie Büchern oder Kartons – eine einfache Aufgabe ist. Schliesslich handelt es sich um eine saubere, gerade Geometrie. Doch nicht für mich. Für mich ist ein Buch der härteste Gegner, ein feindlicher Block, der jede Falte und Kante zu einem Rätsel macht. Die Ecken, die bei anderen sanft und präzise gefaltet werden, mutieren bei mir zu ausgefransten, ungleichmässigen Bündeln von Papier, die etwas daran erinnern, wie Origami NICHT funktioniert.

Die unnachgiebige Härte des rechteckigen Geschenks zwingt mich oft in die Knie. Das Papier scheint überall gleichzeitig zu reissen, während ich hektisch versuche, es mit kleinen Streifen Klebeband zusammenzuhalten. Am Ende sieht es aus, als hätte ich nicht ein Geschenk eingepackt, sondern einen gestrandeten Wal, den ich in eine viel zu kleine Netzhülle gezwängt habe. Manchmal überlege ich, einfach eine Decke darüber zu werfen und zu sagen, das sei Teil des Geschenks.

3. Kapitel: Schleifen – Der endgültige Zusammenbruch

Wenn ich dann die Verpackung mehr oder weniger beisammen habe, folgt die ultimative Krönung des Schreckens: die Schleife. Andere Menschen zaubern aus einem unscheinbaren Band filigrane Gebilde, die das Geschenk zu einem Fest für die Augen machen. Bei mir? Die Schleife ist ein Knoten, ein Knoten des Schicksals, der die ganze Katastrophe des Einpackens versiegelt.

Während ich verzweifelt versuche, das Band in eine annähernd ästhetische Form zu bringen, sieht es am Ende aus wie die traurige Schleife eines lustlosen Ballons. Jede Eleganz, jede Hoffnung auf Stil und Klasse wird erdrosselt, und das Geschenk präsentiert sich so, als sei es auf dem Weg zur Müllhalde vom Lastwagen gefallen.

4. Kapitel: Die innere Rechtfertigung

In solchen Momenten frage ich mich, ob das Einpacken von Geschenken wirklich so wichtig ist. Geht es nicht um die Geste? Darum, dass man an jemanden gedacht hat? Warum diese übertriebene Liebe zum Detail, diese Erwartung, dass ein Geschenk auch von aussen wie ein Kunstwerk aussehen muss? Aber dann sehe ich die perfekt verpackten Geschenke meiner Freunde – und meine Argumente fallen in sich zusammen wie eine schlecht gefaltete Ecke meines missglückten Meisterwerks.

Am Ende bleibt mir nur die resignierte Akzeptanz: Ich werde nie ein Verpackungskünstler sein. Vielleicht ist das sogar eine Art von Authentizität. «Wabi-sabi», das japanische Konzept der Schönheit im Unvollkommenen, könnte hier zur Rettung kommen. Ja, meine Geschenke sind unfertig, roh, geradezu brutal in ihrer Unvollkommenheit – aber vielleicht liegt darin ihre ganz eigene, schrullige Schönheit. Vielleicht.

5. Epilog: Geschenke als Spiegel der Seele

Und so trete ich jedes Jahr wieder an, mit dem Wissen, dass ich scheitern werde. Meine Geschenke werden auch dieses Mal aussehen, als hätte ein sehr wütender Dachs sie angeknabbert, um sie dann mit einem müden Blick und einem Seufzen dem Empfänger vor die Füsse zu werfen. Aber vielleicht ist das okay. Schliesslich spiegelt sich in jeder misslungenen Geschenkverpackung ein wenig von uns allen wider – unsere Unvollkommenheiten, unsere Bemühungen, die nie ganz so perfekt sind, wie wir sie uns wünschen.

Und in diesem Sinne: Frohe Weihnachten.

🎄