Sechstagewoche: Hat Griechenland das Problem mit dem Fachkräftemangel gelöst (oder macht‘s die Schweiz mit vier besser)?

Der anhaltende Fachkräftemangel stellt viele europäische Länder vor grosse Herausforderungen. Griechenland hat als Reaktion darauf die Einführung der Sechstagewoche beschlossen, während in der Schweiz verschiedene Unternehmen Modelle der Vier-Tage-Woche testen. In diesem Artikel untersuche ich beide Ansätze und vergleiche deren mögliche Auswirkungen auf den Fachkräftemangel.

Viertagewoche oder doch besser sechs? Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Am 1. Juli 2024 trat in Griechenland ein Gesetz in Kraft, das eine Sechstagewoche für viele Arbeitnehmer:innen vorschreibt. Diese Massnahme soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken und die informelle Mehrarbeit regulieren. Arbeitnehmer:innen, die an einem sechsten Tag arbeiten, erhalten einen Zuschlag von 40 % auf ihr Gehalt. Fällt dieser Tag auf einen Sonntag oder Feiertag, erhöht sich der Zuschlag auf 75 %​​.

Die Regelung wurde eingeführt, um der bereits verbreiteten Praxis entgegenzuwirken, dass viele Griechinn:en mehrere Jobs ausüben müssen, um finanziell über die Runden zu kommen. Durch die Legalisierung und Entlohnung der Überstunden soll die informelle Wirtschaft reduziert und die Sozialabgaben sowie Steuereinnahmen erhöht werden. Kritiker:innen bemängeln jedoch, dass die Regelung den Arbeitgebern zu viel Macht verleiht und die Belastung der Arbeitnehmer:innen erhöht​.

Vergleich mit der Viertagewoche in der Schweiz

Während Griechenland die Arbeitszeit verlängert, testen Unternehmen in der Schweiz das Modell der Viertagewoche. Ziel ist es, durch eine reduzierte Arbeitszeit bei gleichem Gehalt die Attraktivität der Arbeitsplätze zu erhöhen und den Fachkräftemangel zu mindern. Erste Studien und Pilotprojekte zeigen positive Effekte auf die Mitarbeiter:innenzufriedenheit und die Produktivität. Unternehmen berichten von geringeren Fehlzeiten und einer besseren Work-Life-Balance ihrer Angestellten​ (DW)​.

Ein Pilotprojekt der Stadtverwaltung in Zürich zeigte, dass eine Viertagewoche die Mitarbeiter:innenzufriedenheit deutlich steigern kann, ohne die Produktivität zu beeinträchtigen. Auch in anderen Kantonen und privaten Unternehmen wird diese Arbeitszeitverkürzung getestet und überwiegend positiv bewertet.

Vergleich und kritische Betrachtung

Beide Ansätze – die Sechstagewoche in Griechenland und die Viertagewoche in der Schweiz – zielen darauf ab, den Fachkräftemangel zu bekämpfen, unterscheiden sich jedoch grundlegend in ihrer Methodik:

  • Arbeitszeit und Lebensqualität: Griechenland verlängert die Arbeitszeit, um die finanzielle Situation der Arbeitnehmer:innen zu stabilisieren, während die Schweiz auf eine Verkürzung setzt, um die Lebensqualität und Attraktivität der Arbeitsplätze zu erhöhen.

  • Finanzielle Anreize vs. Work-Life-Balance: Griechenland bietet Lohnzuschläge als Anreiz, während die Schweiz auf eine bessere Work-Life-Balance setzt, um die langfristige Zufriedenheit und Bindung der Fachkräfte zu stärken.

  • Effekte auf den Staat: Griechenland zielt darauf ab, die informelle Wirtschaft zu reduzieren und die Steuereinnahmen zu erhöhen. In der Schweiz steht die Verbesserung der Gesundheit und Zufriedenheit der Arbeitnehmer:innen im Vordergrund, was ebenfalls wirtschaftliche Vorteile bringen kann.

Wissenschaftliche Studien und Ergebnisse

Studien zeigen, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt positive Effekte auf die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen hat. Eine Studie der Henley Business School (2019) in Grossbritannien ergab, dass Unternehmen mit einer Viertagewoche eine Produktivitätssteigerung von 20 % und eine signifikante Verbesserung der Mitarbeiter:innenzufriedenheit verzeichnen konnten​.

Empirische Daten zur Wirksamkeit verlängerter Arbeitswochen wie in Griechenland gibt es bisher nicht. Es bleibt abzuwarten, ob die finanziellen Anreize den Fachkräftemangel nachhaltig beheben oder langfristig die Belastung der Arbeitnehmer:innen negative Effekte haben wird.

Fazit

Die Einführung der Sechstagewoche in Griechenland und die Erprobung der Viertagewoche in der Schweiz sind zwei unterschiedliche Ansätze zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile und es bleibt spannend zu beobachten, welche langfristigen Auswirkungen sie auf die jeweiligen Arbeitsmärkte haben werden.