Warum ich ein bedingtes Grundeinkommen befürworte und gegen das bedingungslose bin

In der Ära der Digitalisierung, Automatisierung und künstlichen Intelligenz setze ich mich mit der Frage auseinander, wie wir ein würdiges Leben für alle gewährleisten können. Während das Grundeinkommen kontrovers diskutiert wird, sehe ich im bedingten Grundeinkommen mehr Potenzial als im bedingungslosen. Mit Einflüssen globaler Ereignisse, Hypothesen zum menschlichen und gesellschaftlichen Wesen und der Betonung des sozialen Werts der Arbeit argumentiere ich für ein System, das unsere individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse erfüllt. Das bedingte Grundeinkommen könnte die Lösung sein, um die Vorteile menschlicher Gestaltungskraft und Reziprozität beizubehalten und gleichzeitig die Herausforderungen der Automatisierung zu bewältigen.

Grundeinkommen: bedingt oder unbedingt? Illustration: Daniel Frei

Daniel Frei - In einer Welt, in der Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz den Alltag prägen, stellt sich mir die Frage, wie wir als Gesellschaft sicherstellen können, dass jede:r einzelne ein menschenwürdiges Leben führen kann. Das Grundeinkommen ist in diesem Kontext zu einem Thema geworden, das in der Breite diskutiert wird, aber auch die Gemüter spaltet. Es gibt gute Argumente sowohl für als auch gegen ein Grundeinkommen. 

Meine persönliche Reise in dieser Debatte wurde stark von den jüngsten globalen Ereignissen, speziell von der Pandemie, beeinflusst. Sie hat mich dazu gebracht, über das Wesen des Grundeinkommens nachzudenken und wie es am besten in unserer Gesellschaft implementiert werden könnte.

«Arbeit hat einen grossen sozialen Wert. Sie gibt den Menschen Identität, Befriedigung, Gemeinschaft, Freundschaften, Status, Struktur. In Gesellschaften, in denen es nicht genug Arbeit gibt, geht es den Menschen im Allgemeinen nicht gut. Es gibt berühmte Studien über Menschen, die nicht arbeiten und denen es nicht gut geht, selbst wenn sie Geld haben. Wir unterschätzen den Wert der Arbeit.» - David Autor, Professor für Wirtschaftswissenschaften am MIT, Cambridge, USA, im Interview mit Armin Müller, Sonntagszeitung vom 8. Oktober 2023

Gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen

Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht die beste Lösung ist. Stattdessen sehe ich mehr Potenzial in einem bedingten Grundeinkommen, das sowohl den individuellen als auch den gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht wird.

Nachteile:

  • Menschliche Gestaltungskraft: Menschen besitzen eine beeindruckende Fähigkeit zur Gestaltung und Kreativität. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte diese Fähigkeiten dämpfen, da der Antrieb, sie zu nutzen, abnehmen könnte.

  • Wert und Wertschätzung: Identität, Befriedigung, Gemeinschaft, Freundschaften, Status, Struktur sind wichtige Elemente einer funktionerenden Gesellschaft und zufriedener Menschen.

  • Anspruchshaltung: Das Erhalten von Geld ohne Gegenleistung könnte zu einem Gefühl des «Entitlements» führen, was zur Passivität und Faulheit führen kann.

  • Reziprozität: Das menschliche Wesen ist darauf ausgelegt, zu geben und zu nehmen. Wenn diese Balance gestört wird, kann dies negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben.

  • Zentralisierung: Wer entscheidet über die Verteilung des bedingungslosen Grundeinkommens? Dies könnte zu einer übermässigen Machtzentralisierung führen.

  • Abhängigkeit und Manipulation: Eine ständige Abhängigkeit von einer zentralen Geldquelle kann Menschen manipulierbar machen und zu einer verstärkten Zentralisierung, wenn nicht zur Diktatur, führen.

Für ein bedingtes Grundeinkommen.

Die Herausforderungen, die zur Idee des Grundeinkommens führten, bestehen weiterhin. Wir stehen mit grösster Wahrscheinlichkeit vor einem gewaltigen Schub an Automatisierung, die den Mensch als Arbeitskraft ersetzt, ohne valable Alternativen zur Hand zu haben, um dieses Defizit an Erwerbsarbeit zu korrigieren. Doch anstatt Geld ohne Bedingungen zu verteilen, also ein bedingungsloses Grundeikommen, schlage ich ein bedingtes Grundeinkommen vor.

Dies kann an Leistungen gekoppelt werden, die jede:r einzelne für die Gesellschaft erbringt, sei es in Altenpflege, Kunst, Wissenschaft, Bildung oder Umweltschutz. Es ist ja nicht so, dass wir nicht genug Arbeit hätten. Und jede:r einzelne kann dabei auch selber entscheiden, wie viel ihrer, seiner Zeit sie oder er hierfür bereitstellen will oder eben nicht. Also kein «Muss», sondern ein «Kann».

Vorteile:

  • Menschliche Gestaltungskraft bleibt zentral: Menschen werden weiterhin gefordert und gefördert.

  • Wert und Wertschätzung der Arbeit bleiben erhalten.

  • Keine Anspruchshaltung: Da eine Gegenleistung erforderlich ist, bleibt das Gefühl des «Entitlements» aus.

  • Reziprozität bleibt erhalten: Das Gleichgewicht von Geben und Nehmen bleibt bestehen. Positive

  • Dynamik: Die Gesellschaft profitiert von den Beiträgen jedes Einzelnen.

  • Reduzierte Abhängigkeit: Die Entscheidung liegt beim Einzelnen: Wie und wie viel möchte ich mich einbringen? Was möchte ich zur Gesellschaft beitragen?

Abschliessend möchte ich betonen, dass Bildung und persönliche Entwicklung die Schlüssel zur Verringerung der Manipulierbarkeit sind. Jede:r sollte die Möglichkeit haben, Fähigkeiten zu nutzen und zur Gesellschaft beizutragen. Ein bedingtes Grundeinkommen könnte genau das fördern.