Wie gestaltet sich der Weg zur Genesung, und was bedeutet «Heilung» im Kontext von CPTSD?

Heilung von CPTSD bedeutet, die Symptome zu lindern, das Trauma zu integrieren und ein neues, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Dieser Prozess verläuft in Phasen – von der Schaffung von Sicherheit über die Verarbeitung des Traumas bis hin zur Neuausrichtung des Lebens. Rückschläge gehören dazu, sind aber kein Zeichen des Scheiterns, sondern Schritte auf dem Weg zu innerer Freiheit und Stabilität.

Heilung von CPTSD bedeutet, die Symptome zu lindern, das Trauma zu integrieren und ein neues, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Illustration: @yuda.aiii

Heilung von CPTSD bedeutet, die Symptome zu lindern, das Trauma zu integrieren und ein neues, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Illustration: @yuda.aiii

Daniel Frei – Im Zusammenhang mit CPTSD ist der Begriff «Heilung» vielschichtig. Er bezieht sich nicht auf die vollständige Beseitigung aller Symptome, sondern auf die Fähigkeit, trotz der traumatischen Vergangenheit ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Heilung bedeutet:

  • Symptomlinderung: Die Intensität von Flashbacks, emotionaler Dysregulation und anderen belastenden Symptomen nimmt ab.

  • Integration des Traumas: Die traumatischen Erlebnisse werden als Teil der eigenen Geschichte anerkannt, ohne die Gegenwart und Zukunft zu dominieren.

  • Aufbau eines stabilen Selbstbildes: Betroffene entwickeln ein positives Verhältnis zu sich selbst und ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit.

Dr. Judith Herman beschreibt Heilung als «das Wiedererlangen von Sicherheit, Selbstbestimmung und einem Gefühl von Zugehörigkeit».

Der Weg zur Genesung: Kein geradliniger Prozess

Die Heilung von CPTSD ist ein komplexer, individueller und oft nicht linearer Prozess, mit Rückfällen ist zu rechnen. Heilung bedeutet nicht, das Erlebte zu vergessen, sondern die Symptome zu lindern und eine neue Beziehung zu sich selbst und anderen aufzubauen. Der Weg zur Genesung ist geprägt von Phasen, in denen Betroffene lernen, Sicherheit zu finden, das Trauma zu verarbeiten und neue Lebensperspektiven zu entwickeln.

Dennoch lassen sich drei zentrale Phasen identifizieren, die vielen Betroffenen helfen, ihren Weg zu strukturieren.

  1. Phase – Sicherheit schaffen: Die erste Phase der Heilung konzentriert sich darauf, ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität wiederherzustellen. Betroffene lernen, ihre Symptome zu erkennen und zu regulieren, bevor sie sich mit den traumatischen Erlebnissen auseinandersetzen. Wichtige Schritte in dieser Phase sind:

  • Aufbau eines sicheren Umfelds, frei von Bedrohungen oder toxischen Beziehungen.

  • Entwicklung von Bewältigungsstrategien, um emotionale Ausbrüche oder Flashbacks zu kontrollieren.

  • Stärkung des körperlichen Wohlbefindens durch gesunde Routinen wie Schlaf, Ernährung und Bewegung.

Diese Phase bildet das Fundament für die nachfolgenden Schritte zur Heilung.

2. Phase – Verarbeitung des Traumas: In der zweiten Phase geht es darum, das Trauma aktiv zu bearbeiten und in die eigene Lebensgeschichte zu integrieren. Typische Ansätze sind:

  • Traumatherapie: Methoden wie EMDR, kognitive Verhaltenstherapie oder Narrative Therapie helfen, die traumatischen Erlebnisse sicher zu verarbeiten.

  • Ausdruck von Emotionen: Kreative Therapien wie Kunst- oder Musiktherapie ermöglichen Betroffenen, Gefühle auszudrücken, die schwer in Worte zu fassen sind.

  • Entwicklung eines neuen Narratives: Das Erlebte wird in einen Kontext gestellt, der die eigene Resilienz und Stärke betont.

Diese Phase ist emotional herausfordernd, aber entscheidend, um das Trauma zu «entmachten» und inneren Frieden zu finden.

3. Phase – Wiederaufbau und Neuausrichtung: Nach der Verarbeitung des Traumas konzentrieren sich Betroffene auf den Aufbau eines erfüllten Lebens. Schwerpunkte in dieser Phase:

  • Aufbau eines positiven Selbstbildes: Betroffene lernen, sich selbst anzunehmen und ihre Stärken zu erkennen.

  • Entwicklung neuer Ziele: Das Setzen von Zielen gibt dem Leben eine neue Richtung und stärkt die Motivation.

  • Stärkung sozialer Beziehungen: Gesunde Bindungen werden aufgebaut oder wiederhergestellt, um ein Gefühl von Zugehörigkeit zu fördern.

Diese Phase ist geprägt von Hoffnung und dem Gefühl, das Leben wieder aktiv gestalten zu können.

Rückfälle als Teil des Prozesses

Rückfälle gehören oft zum Heilungsprozess und Teil der Heilung ist, diese zu umarmen und sich entmutigen zu lassen. Babystepps. Emotionale oder symptomatische Rückschläge sind keine Zeichen des Scheiterns, sondern Gelegenheiten, neue Strategien zu entwickeln und zu wachsen. Therapeutische Begleitung und ein unterstützendes Umfeld helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen.

Ein Weg der Hoffnung

Heilung im Kontext von CPTSD ist ein individueller, herausfordernder und lohnender Prozess. Sie bedeutet, dass Betroffene lernen, ihre Vergangenheit anzunehmen, ohne von ihr definiert zu werden, und ein Leben voller Selbstbestimmung und Erfüllung aufzubauen. Wie eine Betroffene beschreibt: «Es ist ein Weg zurück zu mir selbst, Schritt für Schritt.»

Quellen

  • Herman, J. (1992). Trauma and Recovery: The Aftermath of Violence–From Domestic Abuse to Political Terror.

  • Van der Kolk, B. (2014). The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma.

  • Cloitre, M. et al. (2013). «The International Trauma Questionnaire: Development of a CPTSD Measure».