Das neue Sexualstrafrecht in der Schweiz: eine kurze Übersicht

Am 1. Juli 2024 trat in der Schweiz ein neues Sexualstrafrecht in Kraft, das weitreichende Veränderungen mit sich bringt und sowohl in rechtlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht bedeutende Auswirkungen hat. In diesem Artikel beleuchte ich die wesentlichen Neuerungen des Gesetzes und vergleicht sie mit den bisherigen Regelungen.

«Nein heisst Nein» und «Nur Ja heisst Ja»: das neue Schweizer Sexualstrafrecht. Fotografie: Daniel Frei

«Nein heisst Nein» und «Nur Ja heisst Ja»: das neue Schweizer Sexualstrafrecht. Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Die Reform des Sexualstrafrechts war lange in Diskussion und resultierte aus einer breiten gesellschaftlichen Debatte über den Schutz von Opfern sexueller Gewalt und die Angemessenheit der Strafverfolgung solcher Delikte. Kritiker:innen des alten Rechtsrahmens argumentierten, dass die bisherigen Bestimmungen nicht ausreichend den Schutz der Betroffenen gewährleisteten und oft zu einer sekundären Viktimisierung der Opfer führten.

Die wesentlichen Neuerungen im Überblick

Einführung des «Nein heisst Nein»-Prinzips

Eine der markantesten Änderungen ist die Einführung des sogenannten «Nein heisst Nein»-Prinzips. Vor der Reform war im Schweizer Recht die Rede von sexueller Nötigung, wenn die, der Täter:in Gewalt anwendete, eine Drohung aussprach oder das Opfer zum Widerstand unfähig war. Mit dem neuen Gesetz ist ein sexueller Akt strafbar, sobald das Opfer explizit oder implizit zum Ausdruck bringt, dass es nicht einverstanden ist, und die Täterin, der Täter diese Ablehnung ignoriert. Das alte Recht fokussierte stark auf die Anwendung von Gewalt oder Drohung und die Unfähigkeit des Opfers, sich zu wehren. Das neue Recht stellt hingegen klar, dass der fehlende Konsens ausreicht, um einen Tatbestand zu erfüllen.

Einführung des «Nur Ja heisst Ja»-Prinzips

Das neue Gesetz geht sogar noch weiter und implementiert das «Nur Ja heisst Ja»-Prinzip. Dies bedeutet, dass ein sexueller Akt nur dann als einvernehmlich gilt, wenn eine aktive Zustimmung vorliegt. Schweigen oder Passivität werden nicht mehr als Zustimmung gewertet. Im alten Recht konnte Schweigen oder Nicht-Widersprechen des Opfers missinterpretiert werden. Das neue Gesetz verlangt eine aktive Bekundung des Einverständnisses, was eine höhere Schutzschwelle für die Opfer bedeutet.

Erleichterung der Beweisführung

Mit der Gesetzesänderung wurden auch die Anforderungen an die Beweisführung bei sexuellen Straftaten angepasst. Künftig genügt es, wenn glaubhafte Aussagen des Opfers vorliegen und keine erheblichen Zweifel an deren Richtigkeit bestehen. Zudem wurden die Rechte der Opfer gestärkt, indem sie während des Verfahrens besser geschützt werden. Früher mussten Opfer oft hohe Beweislasten tragen und konnten durch intensive Befragungen zusätzlich traumatisiert werden. Die neue Regelung zielt darauf ab, die Opfer zu entlasten und den Fokus stärker auf die Aussagen zu legen.

Erweiterung des Schutzalters

Das Schutzalter wurde angehoben, um minderjährige Menschen besser vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Jeglicher sexueller Kontakt mit Personen unter 16 Jahren wird nun strenger geahndet, auch wenn er einvernehmlich erscheint. Zuvor lag das Schutzalter bei 14 Jahren, was in einigen Fällen zu milden Strafen führte. Die Anhebung auf 16 Jahre spiegelt die wachsende Anerkennung der Schutzbedürftigkeit junger Menschen wider.

Besserer Schutz für besonders schutzbedürftige Personen

Das neue Gesetz sieht auch spezielle Bestimmungen zum Schutz besonders verletzlicher Gruppen vor, wie Personen mit Behinderungen oder in Abhängigkeitssituationen. Hier wurden die Straftatbestände erweitert und die Strafmasse verschärft. Im alten Gesetz waren diese Gruppen zwar geschützt, aber die spezifischen Regelungen waren weniger detailliert und umfassend. Das neue Recht erkennt die besondere Schutzbedürftigkeit dieser Personen deutlicher an.

Gesellschaftliche und rechtliche Implikationen

Die Reform des Sexualstrafrechts in der Schweiz hat nicht nur juristische, sondern auch tiefgreifende gesellschaftliche Implikationen. Sie sendet ein starkes Signal über den Umgang mit sexueller Gewalt und die Notwendigkeit, die Zustimmung in sexuellen Beziehungen klar zu definieren. Es wird erwartet, dass diese Änderungen das Bewusstsein und die Sensibilität in der Gesellschaft erhöhen und zu einer Reduktion sexueller Übergriffe beitragen.


Fazit

Das neue Sexualstrafrecht in der Schweiz, das seit dem 1. Juli 2024 gilt, stellt einen wichtigen Schritt in Richtung eines verbesserten Schutzes der Opfer sexueller Gewalt dar. Mit den neuen Prinzipien «Nein heisst Nein» und «Nur Ja heisst Ja», der erleichterten Beweisführung, der Anhebung des Schutzalters und dem erweiterten Schutz besonders verletzlicher Personen, werden bedeutende Fortschritte erzielt. Diese Reformen spiegeln die gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Gerechtigkeit und Schutz wider und markieren einen bedeutenden Wandel im Umgang mit sexuellen Straftaten.