Warum baut Zürich so hässlich neu
Zürich: Stadt des Wohlstands, der Bildung und des Designs. Doch trotz dieser Voraussetzungen enttäuscht das Stadtbild oft: klobige Neubauten dominieren, während Ästhetik und Innovation zu kurz kommen. Warum ist Zürichs Architektur so uninspiriert? Die Antwort liegt in einem Immobilienmarkt, der auf Profit statt Schönheit setzt, und einem städtebaulichen Umfeld, das wenig Raum für Kreativität lässt. Dabei könnte Zürich als Vorreiter für nachhaltiges, ästhetisches Bauen gelten. Was braucht es, damit Zürich sein Potenzial entfaltet und zur architektonischen Perle wird, die es sein könnte?
Daniel Frei – Zürich: eine Stadt, die auf Wohlstand, erstklassige Bildung und eine lange Tradition herausragender Designer:innen und Architektinn:en bauen kann. Doch wer durch die Strassen der Stadt geht, fragt sich oft, warum das Stadtbild oft so uninspiriert, ästhetisch enttäuschend, kurz hässlich ist. Angesichts der besten Voraussetzungen könnte Zürich eine architektonische Perle sein – stattdessen überwiegen klobige, gesichtslose Neubauten. Was läuft schief? Und was könnte getan werden, um Zürich schöner und zukunftsfähiger zu machen?
Zürichs beste Voraussetzungen: Geld, Talent, Tradition
Zürich hat sich als eine der wohlhabendsten Städte Europas etabliert. Dieser Reichtum wird in Infrastrukturprojekte und Immobilien investiert. Zudem ist Zürich die Heimat der ETH Zürich, einer der weltweit besten Universitäten, insbesondere im Bereich Architektur und Ingenieurwesen. Namen wie Max Bill, Le Corbusier und andere Koryphäen des Designs und der Baukunst sind mit der Stadt verbunden und haben Spuren hinterlassen, die weltweit Anerkennung finden. Doch all dieses Potenzial scheint in der heutigen Architektur der Stadt kaum sichtbar.
Der Druck des Immobilienmarktes
Einer der Hauptgründe für das wenig ansprechende Stadtbild liegt im Immobilienmarkt. Zürich ist eine Stadt mit extrem hohen Immobilienpreisen, was dazu führt, dass Investorinn:en mehr auf Rendite als auf Ästhetik setzen. Die Priorität liegt oft darin, möglichst viel Wohnfläche auf engem Raum zu schaffen, um maximale Mieteinnahmen zu erzielen. Dies hat zur Folge, dass Architektinn:en stark in ihren Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt werden und Funktionalität vor Design tritt. Hinzu kommt, dass städtebauliche Vorschriften und Regulierungen oft zusätzliche Hürden für innovative Projekte darstellen.
Architektonische Gestaltung unter wirtschaftlichem Druck
Ein weiterer entscheidender Faktor ist der wirtschaftliche Druck, der auf Bauprojekten lastet. Architektinn:en, die ambitionierte und ästhetisch anspruchsvolle Projekte umsetzen möchten, stossen oft auf Widerstand, sei es seitens der Bauherrinn:en oder aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen. Der Mut, visionäre Entwürfe umzusetzen, fehlt häufig. Stattdessen wird auf Standardlösungen gesetzt, die kurzfristig funktional und kosteneffizient erscheinen, aber das Stadtbild auf lange Sicht negativ beeinflussen.
Was könnte Zürich anders machen?
Um das Potenzial Zürichs auszuschöpfen und eine nachhaltige, ästhetisch ansprechende Stadt zu schaffen, wären einige Massnahmen notwendig. Diese Vorschläge zielen darauf ab, die verschiedenen Akteurinn:en – von Investorinn:en über Architektinn:en bis hin zur Stadtverwaltung – stärker in den Prozess der Stadtgestaltung einzubeziehen:
Förderung von Architekturwettbewerben: Kreative Wettbewerbe, die auf innovative und nachhaltige Bauprojekte abzielen, könnten Zürichs Stadtbild entscheidend verändern. Dabei sollten nicht nur maximale Flächenausnutzung, sondern auch ästhetische und umweltfreundliche Kriterien eine Rolle spielen.
Neue städtebauliche Vorgaben: Die Stadt könnte verbindliche Richtlinien für Bauprojekte einführen, die sicherstellen, dass Neubauten nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch ansprechend sind. Zudem könnte der Fokus auf grüne und klimafreundliche Architektur verstärkt werden.
Nachhaltige Bauweise als Leitlinie: In Zeiten der Klimakrise bietet sich Zürich die Chance, eine Vorreiterrolle einzunehmen, indem es klimafreundliche Bauprojekte wie begrünte Fassaden, Solardächer und energieeffiziente Gebäude fördert. Solche Ansätze würden nicht nur das Stadtbild verschönern, sondern auch zur Kühlung der Stadt beitragen, die in Sommermonaten zunehmend unter Hitzeinseln leidet.
Positive Effekte für Bewohner:innen und Touristinn:en
Ein schöneres, lebenswerteres Zürich würde nicht nur uns Bewohner:innen zugutekommen. Studien zeigen, dass Menschen in ästhetisch ansprechenden Umgebungen zufriedener sind, was sich auf das soziale Miteinander und das Lebensgefühl in der Stadt auswirken könnte. Öffentliche Plätze könnten so gestaltet werden, dass sie als Treffpunkte und Orte der Gemeinschaft dienen. Dies stärkt den Zusammenhalt und erhöht die Lebensqualität.
Auch für den Tourismus hätte eine architektonische Aufwertung der Stadt enorme Vorteile. Städte wie Barcelona oder Kopenhagen zeigen, dass eine durchdachte und innovative Stadtplanung Touristinn:en anzieht und den internationalen Ruf stärkt. Zürich könnte von solchen Beispielen lernen und sich als Stadt positionieren, die Tradition, Innovation und Nachhaltigkeit in der Architektur vereint.
Zürichs Potenzial als Modellstadt der Zukunft
Zürich hat alle Voraussetzungen, um eine Vorzeigestadt zu werden – nicht nur in Bezug auf Wohlstand, sondern auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Design. Wenn die Stadt es schafft, ihre Baupolitik so zu gestalten, dass sie ästhetisch, umweltfreundlich und visionär ist, könnte Zürich zu einer der attraktivsten Städte Europas werden.
Dies würde nicht nur die Zufriedenheit der Bewohner:innen steigern, sondern auch internationale Aufmerksamkeit erregen. Eine Stadt, die sich dem Klimawandel anpasst, nachhaltig baut und gleichzeitig Wert auf Schönheit und Ästhetik legt, hätte das Potenzial, zu einem weltweiten Vorbild zu werden.
Zürich hat es in der Hand, sich neu zu erfinden und eine Stadt zu werden, die auf das Wohl ihrer Bürger:innen und die Zukunft des Planeten ausgerichtet ist.
Die Zeit, diese Chance zu nutzen, ist jetzt.