Weitere Symptome und Auswirkungen von CPTSD: Das Gefühl von Kontrollverlust oder wenn das Leben entgleitet

Ein Leben, das ausser Kontrolle gerät: Für Menschen mit komplexer posttraumatischer Belastungsstörung (CPTSD) ist das Gefühl von Kontrollverlust eine der gravierendsten Belastungen. Es manifestiert sich in nahezu allen Lebensbereichen – von der Unfähigkeit, einfache Entscheidungen zu treffen, bis zu einem tiefen Gefühl der Ohnmacht gegenüber der eigenen Vergangenheit und Gegenwart. Dieses symptomatische Erleben geht weit über alltägliche Herausforderungen hinaus und führt Betroffene häufig in einen Teufelskreis aus Resignation und Hoffnungslosigkeit.

Ein Gefühl von Kontrollverlust ist ein häufiges und tiefgreifendes Symptom von CPTSD. Illustration: @yuda.aiii

Ein Gefühl von Kontrollverlust ist ein häufiges und tiefgreifendes Symptom von CPTSD. Illustration: @yuda.aiii

Daniel Frei – Ein Gefühl von Kontrollverlust ist ein häufiges und tiefgreifendes Symptom von CPTSD. Betroffene berichten, dass sie ihr Leben als ausser Kontrolle geraten wahrnehmen, was sich in mehreren Bereichen zeigt.

Schwierigkeiten im Umgang mit Geld

Viele Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre Finanzen im Blick zu behalten. Oft fehlen grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Geld, was durch eine geringe Frustrationstoleranz und die Tendenz zur Vermeidung noch verstärkt wird. Verschuldung entsteht häufig durch impulsive Kaufentscheidungen, denen eine langfristige Planung fehlt. Diese Probleme führen nicht nur zu finanziellen, sondern auch zu emotionalen Belastungen wie Scham, Angst und Überforderung. Das Fehlen eines klaren Überblicks und die Angst vor der Auseinandersetzung mit finanziellen Realitäten können dazu führen, dass Betroffene den Umgang mit Geld komplett vermeiden, was die Situation weiter verschärft. Unterstützung durch Schuldenberatung oder einfache Finanzbildungsprogramme kann hier helfen, allerdings scheuen viele Betroffene den ersten Schritt aus Sorge vor Verurteilungen.

Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen

Selbst alltägliche Entscheidungen können für viele Menschen mit traumatischen Erfahrungen eine überwältigende Herausforderung darstellen. Das Gehirn ist durch anhaltenden Stress oft in einem «Überlebensmodus», der logisches Denken und Abwägungen erschwert. Betroffene grübeln häufig lange über Vor- und Nachteile nach, ohne zu einem klaren Ergebnis zu kommen, oder sie vermeiden Entscheidungen ganz, aus Angst, etwas falsch zu machen. Diese Unsicherheit verstärkt das Gefühl der Hilflosigkeit und macht es schwer, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Praktische Übungen zur Entscheidungsfindung und ein klar strukturierter Tagesablauf können dabei helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen.

Probleme mit der Lebensplanung

Langfristige Ziele erscheinen oft wie unerreichbare Träume, was dazu führt, dass Betroffene gar nicht erst versuchen, Pläne zu schmieden. Die Ursachen dafür liegen häufig in einer Kombination aus fehlendem Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Erfolge zu erzielen, und der Angst vor Misserfolgen. Dieser Zustand kann dazu führen, dass sich Betroffene von der Gesellschaft isolieren oder sich mit kurzfristigen Ablenkungen wie exzessivem Medienkonsum oder impulsiven Entscheidungen trösten. Gleichzeitig kann die Vorstellung von Zukunft Stress und Unsicherheit auslösen, was die Planung zusätzlich erschwert. Hilfreich sind hier Strategien wie das Setzen kleiner, erreichbarer Ziele, die allmählich Selbstvertrauen aufbauen.

Gefühl von Ohnmacht

Ein häufiges Gefühl unter Betroffenen ist, dass sie ihrem Trauma ausgeliefert sind und keine Kontrolle über ihre Heilung haben. Dieses Empfinden kann durch wiederholte Erfahrungen von Hilflosigkeit in der Vergangenheit verstärkt werden. Es zeigt sich oft in Aussagen wie «Ich schaffe das ohnehin nicht» oder «Warum sollte ich es überhaupt versuchen?». Das Gefühl der Ohnmacht kann auch durch die Komplexität der Heilungsprozesse verstärkt werden, die viele Schritte und Massnahmen erfordern, die Betroffene möglicherweise nicht verstehen oder als überwältigend empfinden. Unterstützend wirken hier therapeutische Ansätze, die gezielt auf die Wiedererlangung von Kontrolle und Autonomie abzielen, wie Traumatherapie oder Achtsamkeitstraining.

Ein Teufelskreis, der das Leben beeinflusst

Die kognitiven Einschränkungen, das Suchtverhalten und das Gefühl von Kontrollverlust verstärken einander und schaffen einen Teufelskreis, der das Leben der Betroffenen massiv beeinträchtigt. Die Konzentrationsprobleme erschweren die Bewältigung von Alltagsaufgaben, während die Bewältigungsstrategien kurzfristig Erleichterung bieten, aber langfristig die Selbstwahrnehmung negativ beeinflussen.

Dieser Kreislauf ist aber nicht unumkehrbar. Mit gezielter therapeutischer Unterstützung, die sowohl die psychischen als auch die körperlichen Aspekte von CPTSD berücksichtigt, können Betroffene Wege finden, ihre Kontrolle zurückzugewinnen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Quellen

  • Van der Kolk, B. (2014). The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma.

  • Herman, J. (1992). Trauma and Recovery: The Aftermath of Violence–From Domestic Abuse to Political Terror.

  • Yehuda, R. (2002). «Post-traumatic stress disorder». New England Journal of Medicine.