Die vier Trauma-Reaktionsmodi Flucht, Erstarren, Kampf und Unterwerfung (Flight, Freeze, Fight und Fawn): typische CPTSD-Verhaltensmuster
Flucht, Erstarren, Kampf und Unterwerfung (Flight, Freeze, Fight und Fawn) – die vier Trauma-Reaktionsmodi sind Überlebensstrategien, die Menschen mit CPTSD oft verinnerlicht haben. Diese Verhaltensmuster sind ein Schutz vor wahrgenommenen Bedrohungen, können jedoch langfristig Beziehungen, Entscheidungen und das eigene Wohlbefinden beeinträchtigen.
Daniel Frei – Traumatische Erfahrungen beeinflussen nicht nur die Psyche, sondern auch das Verhalten. Menschen mit CPTSD entwickeln oft spezifische Reaktionsmuster, um mit der empfundenen Gefahr oder Bedrohung umzugehen. Diese vier Modi – Flucht, Erstarren, Kampf und Unterwerfung – sind automatische Überlebensstrategien, die sich tief in das Verhalten und die Wahrnehmung einprägen. Sie dienen dem kurzfristigen Schutz, können jedoch langfristig das Leben und Beziehungen erheblich beeinträchtigen.
Flucht (Flight): ständige Ablenkung vor der Bedrohung
Die Fluchtreaktion zeigt sich oft in übermässiger Aktivität. Menschen, die diesen Modus dominieren, versuchen, durch ständige Beschäftigung und Ablenkung ihre inneren Bedrohungsgefühle zu vermeiden. Sie könnten sich in Arbeit, Bewegung oder Perfektionismus verlieren, immer auf der Suche nach einem Gefühl der Kontrolle.
Ein typisches Beispiel ist der Drang, immer produktiv zu sein, auch wenn körperliche oder emotionale Erschöpfung einsetzt (Workaholics). Diese Flucht in Aktivität schützt kurzfristig vor den schmerzhaften Gefühlen des Traumas, verhindert jedoch, dass Betroffene sich mit den zugrunde liegenden Ursachen auseinandersetzen.
Erstarren (Freeze): das Gefühl der Handlungsunfähigkeit
Die Freeze-Reaktion tritt auf, wenn Menschen sich überwältigt fühlen und das Gefühl haben, keine Kontrolle über die Situation zu haben. Sie ziehen sich innerlich zurück, werden passiv oder fühlen sich gelähmt. Dieser Modus kann sich durch eine Unfähigkeit zeigen, Entscheidungen zu treffen, oder durch ein emotionales «Einfrieren», bei dem Betroffene ihre Gefühle nicht mehr spüren.
Für viele Menschen im Freeze-Modus fühlt sich die Welt wie in Watte gepackt an, und sie berichten oft, dass sie «neben sich stehen». Obwohl dieser Zustand kurzfristig als Schutz dient, indem er das Bewusstsein für die traumatische Bedrohung reduziert, verstärkt er langfristig das Gefühl der Ohnmacht.
Kampf (Fight): Aggression als Schutzmechanismus
Die Kampfreaktion ist durch impulsive, aggressive oder kontrollierende Verhaltensweisen gekennzeichnet. Menschen in diesem Modus versuchen, ihre Umgebung aktiv zu dominieren, um sich sicher zu fühlen. Sie reagieren oft schnell mit Wut oder Angriffen, selbst in Situationen, die für andere harmlos erscheinen mögen.
Dieser Modus kann dazu führen, dass Betroffene Konflikte provozieren oder versuchen, Macht über andere auszuüben, um sich nicht wieder in einer hilflosen Position zu finden. Obwohl diese Reaktion einen gewissen Schutz bietet, erschwert sie oft zwischenmenschliche Beziehungen und führt zu Isolation.
Unterwerfung (Fawn): Anpassung als Überlebensstrategie
Die Fawn-Reaktion zeigt sich in der Überanpassung an die Bedürfnisse anderer. Menschen in diesem Modus versuchen, Konflikte um jeden Preis zu vermeiden, indem sie «People Pleasing» betreiben und ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse unterdrücken. Dies dient dazu, die Sicherheit in Beziehungen aufrechtzuerhalten, besonders wenn die Gefahr besteht, dass Nähe zu Gewalt oder emotionaler Vernachlässigung führt.
Obwohl diese Strategie kurzfristig Beziehungen stabilisieren kann, führt sie langfristig zur Selbstaufopferung und einem Verlust der eigenen Identität. Menschen im Fawn-Modus fühlen sich oft ausgelaugt und übersehen, da sie ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse vernachlässigen.
Ein Kreislauf der Überlebensstrategien
Die vier Trauma-Reaktionsmodi – Flucht, Erstarren, Kampf und Unterwerfung – sind Überlebensstrategien, die sich im Laufe des Lebens verfestigen können. Viele Menschen mit CPTSD wechseln zwischen diesen Modi, abhängig von der jeweiligen Situation.
Während diese Verhaltensmuster ursprünglich dazu dienten, in gefährlichen Situationen zu überleben, behindern sie oft die Fähigkeit, ein erfülltes Leben zu führen. Das Verständnis dieser Modi ist ein erster Schritt zur Heilung. In der Therapie können Betroffene lernen, diese Muster zu erkennen und neue, gesündere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Die Wiederherstellung eines Gefühls von Sicherheit und Kontrolle ist dabei zentral.
Quellen
Herman, J. (1992). Trauma and Recovery: The Aftermath of Violence–From Domestic Abuse to Political Terror.
Van der Kolk, B. (2014). The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma.
Walker, P. (2013). Complex PTSD: From Surviving to Thriving.