Indonesien kriminalisiert ausserehelichen Sex: Gefahr auch für die LGBTQ+-Gemeinschaft

Ab dem 2. Januar 2026 tritt in Indonesien ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, das weitreichende gesellschaftliche Folgen haben wird. Im Zentrum steht die Kriminalisierung von ausserehelichem Geschlechtsverkehr, eine Regelung, die gleichgeschlechtliche Paare besonders hart trifft, da sie in Indonesien keine Möglichkeit zur Eheschliessung haben. In der Provinz Aceh sind homosexuelle Handlungen bereits seit 2015 verboten und werden mit bis zu 100 Peitschenhieben geahndet. Menschenrechtsorganisationen warnen vor einer Zunahme von Diskriminierung und Überwachung. Kritiker wie Andreas Harsono von Human Rights Watch sprechen von einem «Angriff auf persönliche Freiheiten», während Umfragen zeigen, dass 80 % der indonesischen Bevölkerung Homosexualität ablehnen. Trotz internationaler Kritik bleibt die Zukunft der LGBTQ+-Gemeinschaft ungewiss. Der Kampf für Gleichberechtigung geht weiter.

Indonesien kriminalisiert ausserehelichen Sex: Gefahr auch für die LGBTQ+-Gemeinschaft. Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Indonesien, mit seiner Bevölkerung von über 270 Millionen Menschen und der grössten muslimischen Gemeinschaft weltweit, steht vor einer entscheidenden rechtlichen und sozialen Wende. Ab dem 2. Januar 2026 tritt ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, das weitreichende Auswirkungen auf die LGBTQ+-Gemeinschaft und andere gesellschaftliche Gruppen haben wird. Im Zentrum der Kritik steht die Kriminalisierung von ausserehelichem Sex, die faktisch Homosexualität einschliesst. Da gleichgeschlechtliche Paare keine Möglichkeit zur Eheschliessung haben, könnte dieses Gesetz die ohnehin schwierige Lage weiter verschärfen.

Die rechtliche Realität in Aceh: Wo Homosexualität bereits bestraft wird

Aceh, die einzige Region Indonesiens, die das islamische Scharia-Recht anwendet, ist ein Vorbote für die mögliche Zukunft des Landes. Hier ist Homosexualität seit 2015 ausdrücklich verboten. Strafen wie bis zu 100 Peitschenhiebe in der Öffentlichkeit sind keine Seltenheit. «Das Scharia-Recht in Aceh ist ein direkter Angriff auf die Menschenrechte», sagte Usman Hamid von Amnesty International.

Berichte zeigen, dass allein im Jahr 2021 mindestens zwei Männer in Aceh öffentlich ausgepeitscht wurden, nachdem sie beim Geschlechtsverkehr überrascht worden waren. Solche Vorfälle verdeutlichen, wie die Gesetzgebung dazu führt, dass LGBTQ+-Personen in ständiger Angst vor Überwachung, Denunziation und Bestrafung leben.

Das neue Strafgesetzbuch: Eine Bedrohung für Grundfreiheiten

Das am 2. Januar 2026 in Kraft tretende Gesetz geht weit über Aceh hinaus und hat landesweite Auswirkungen. Artikel 411 des neuen Strafgesetzbuches stellt ausserehelichen Geschlechtsverkehr unter Strafe. Verstösse können mit bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet werden. Für gleichgeschlechtliche Paare bedeutet dies faktisch, dass sie jederzeit rechtlich verfolgt werden können.

«Dieses Gesetz ist ein direkter Angriff auf die persönliche Freiheit», erklärte Andreas Harsono von Human Rights Watch. Harsono warnte davor, dass «dies die LGBTQ+-Gemeinschaft in Indonesien noch tiefer in die Isolation drängen wird». Besonders beunruhigend ist, dass das Gesetz nicht nur homosexuelle, sondern auch unverheiratete heterosexuelle Paare betreffen könnte.

Zahlen und Fakten: Was die Realität zeigt

Die LGBTQ+-Gemeinschaft in Indonesien sieht sich bereits jetzt mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Eine Umfrage des Pew Research Centers aus dem Jahr 2020 ergab, dass 80 % der indonesischen Bevölkerung Homosexualität für «moralisch falsch» halten. Hinzu kommt, dass LGBTQ+-Personen oft Schwierigkeiten haben, Wohnungen zu finden, Arbeitsplätze zu behalten oder Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu erhalten.

In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Berichte über Razzien in vermeintlichen Treffpunkten der LGBTQ+-Gemeinschaft gegeben. Allein 2017 führte die Polizei in verschiedenen Städten mindestens sechs Razzien durch, bei denen Dutzende Menschen verhaftet wurden.

Internationale und lokale Reaktionen: Kritik und Unterstützung

Die Reaktionen auf die Gesetzesänderung sind vielfältig. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnete die Einführung des neuen Strafgesetzbuches als «Rückschritt für Indonesien». «Die internationale Gemeinschaft darf hier nicht schweigen», forderte Harsono. Die Vereinten Nationen haben Indonesien bereits aufgefordert, die Änderungen zu überdenken, und auf die möglichen Verletzungen internationaler Menschenrechtsstandards hingewiesen.

Gleichzeitig gibt es in Indonesien selbst kleine, aber wachsende LGBTQ+-Gemeinschaften, die trotz der schwierigen Bedingungen weiterhin für ihre Rechte kämpfen. «Wir existieren, wir kämpfen, und wir werden nicht aufgeben», sagte eine Aktivistin aus Jakarta, die anonym bleiben wollte.

Gesellschaftliche Implikationen: Ein tiefer Graben zwischen Tradition und Moderne

Die Gesetzesänderung spiegelt tief verwurzelte Spannungen zwischen traditionellen Werten und modernem Denken wider. Konservative Gruppen sehen das neue Strafgesetzbuch als einen Schritt hin zur «moralischen Wiederherstellung der Gesellschaft». Liberale Stimmen hingegen argumentieren, dass solche Gesetze die sozialen Spannungen verschärfen und Indonesiens internationales Ansehen schädigen könnten.

Die rechtliche Lage von LGBTQ+-Personen in Indonesien steht auch in starkem Kontrast zu den Entwicklungen in anderen Ländern der Region. Während Thailand kürzlich Schritte unternommen hat, gleichgeschlechtliche Partnerschaften anzuerkennen, bewegen sich konservative Staaten wie Brunei oder Malaysia in eine ähnliche Richtung wie Indonesien.

Ein langer und steiniger Weg zur Gleichberechtigung

Das neue Strafgesetzbuch ist mehr als eine juristische Änderung – es ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen Indonesien konfrontiert ist. Während ein Teil der Bevölkerung Fortschritt und Toleranz fordert, setzen konservative Kräfte auf Kontrolle und Repression. Für die LGBTQ+-Gemeinschaft bedeutet dies eine ungewisse Zukunft, geprägt von Angst und Diskriminierung.

Es bleibt abzuwarten, wie die internationale Gemeinschaft und die indonesische Zivilgesellschaft reagieren werden. Fest steht jedoch: Der Kampf für Gleichberechtigung und Menschenrechte ist noch lange nicht vorbei.

Quellen