Warum KünstlerInnen arm sind: Hans Abbings Blick auf die Kunstwirtschaft und mögliche Lösungen
KünstlerInnen gelten allgemein als kreativ und leidenschaftlich, doch viele von ihnen kämpfen trotz ihres bedeutenden gesellschaftlichen Beitrags nach wie vor mit erheblicher finanzieller Unsicherheit und ökonomischen Herausforderungen. In seinem aufschlussreichen Buch «Why Are Artists Poor?» analysiert der Ökonom und Künstler Hans Abbing die vielfältigen ökonomischen Gründe für die weitverbreitete Armut unter Kunstschaffenden und bietet verschiedene Auswege sowie strategische Lösungsansätze, um ihre schwierige Lage nachhaltig zu verbessern und ihre Lebenssituation zu stabilisieren.
Daniel Frei – KünstlerInnen gelten als Kreative, die ihre Leidenschaft über materielle Belohnungen stellen. Und trotz ihrer gesellschaftlichen Bedeutung kämpfen viele von ihnen mit finanzieller Unsicherheit. In seinem Buch «Why Are Artists Poor?» untersucht Hans Abbing die Gründe für diese weitverbreitete Armut und bietet dabei zugleich Lösungsansätze, um die Situation von KünstlerInnen zu verbessern. Abbing seinerseits ist ein niederländischer Ökonom, Soziologe und Künstler. Er ist sowohl als Maler und Fotograf als auch als Professor für Kulturökonomie tätig.
Abbing hat an der Erasmus-Universität in Rotterdam gelehrt und sich intensiv mit den wirtschaftlichen Bedingungen der Kunstwelt auseinandergesetzt. Mit seiner Doppelrolle als Künstler und Wirtschaftswissenschaftler bringt er eine einzigartige Perspektive in die Diskussion über die finanzielle Lage von Künstlern ein. In seinem bekanntesten Werk «Why Are Artists Poor?» untersucht er die strukturellen und kulturellen Gründe für die weit verbreitete Armut unter Kunstschaffenden und bietet Ansätze zur Verbesserung der ökonomischen Bedingungen in der Kunstbranche.
Die aussergewöhnliche Wirtschaft der Kunst
Abbing beschreibt die Kunstwirtschaft als eine «aussergewöhnliche» Form des ökonomischen Austauschs. Während in der Marktwirtschaft Angebot und Nachfrage den Preis regeln, sei dies in der Kunstwelt anders. Kunst wird oft nicht nach ihrem Marktwert, sondern nach ihrer kulturellen Bedeutung oder ihrem symbolischen Wert bewertet. Subventionen, Spenden und staatliche Förderung würden diese Wirtschaft dominieren. Abbing erklärt in seinem Buch: «The economy of the arts is exceptional. Although the arts operate successfully in the marketplace, their natural affinity is with gift-giving, rather than with commercial exchange».
Diese Nähe zur Geschenkökonomie hat jedoch ihre Schattenseiten. Er argumentiert, dass die Abhängigkeit von Subventionen und Spenden die Armut der KünstlerInnen nicht beseitigt, sondern oft sogar verstärkt: «Subsidies and donations intended to alleviate poverty actually exacerbate poverty». Je mehr finanzielle Unterstützung KünstlerInnen erhalten, desto mehr Menschen entscheiden sich für diesen Beruf – was letztlich zu einer Überbevölkerung des Marktes führt und die Einkommenschancen weiter schmälert.
Mythen und romantische Vorstellungen über Kunst
Ein zentraler Aspekt von Abbings Analyse sind die Mythen, die das Verständnis von Kunst und KünstlerInnen prägen. Kunstschaffende als selbstlose, nur von innerer Motivation getriebene Schöpfende ist ein starkes Narrativ, das nicht nur das Verhalten von KünstlerInnen selbst, sondern auch die Erwartung der Gesellschaft formt. «The belief that artists are selflessly dedicated to art, that price does not reflect quality, and that the arts are free» führt laut Abbing dazu, dass der Marktwert der Kunst unterbewertet wird. KünstlerInnen, die sich zu sehr auf diese romantische Vorstellung verlassen, könnten ihre ökonomischen Realitäten vernachlässigen.
Ein weiteres Problem sei der sogenannte «heilige» Status der Kunst. Kunst werde als etwas betrachtet, das über wirtschaftliche Prinzipien hinausgeht und daher nicht den gleichen Regeln unterliegt wie andere Branchen. Diese Ansicht, so Abbing, trage dazu bei, dass Künstler:innen weiterhin geringe Einkommen akzeptieren.
Die Kehrseite oder mögliche Lösungen
Trotz der ernüchternden Analyse der Kunstwirtschaft bietet Abbing einige Ansätze, um die Situation von Künstlern zu verbessern.
Subventionen überdenken
Abbing plädiert dafür, die Struktur von Subventionen und staatlichen Förderungen zu überdenken. Statt ein System zu schaffen, das immer mehr KünstlerInnen anzieht, ohne ihre finanzielle Situation zu verbessern, sollten Subventionen gezielt auf die Schaffung nachhaltiger Einkommensmöglichkeiten abzielen.
Realistischere Ausbildung
Eine der Schlüsselstrategien, die Abbing vorschlägt, ist die Integration ökonomischer Bildung in die Künstlerausbildung. KünstlerInnen sollten von Anfang an über die wirtschaftlichen Realitäten ihres Berufs informiert werden, um übermässig optimistische Erwartungen zu vermeiden. Dies könnte langfristig dazu beitragen, dass weniger Menschen in den Kunstmarkt eintreten und damit der Konkurrenzdruck sinkt.
Unternehmerisches Denken fördern
Künstler:innen müssten sich von der Vorstellung lösen, dass wirtschaftlicher Erfolg ihre künstlerische Integrität gefährdet. Abbing betont, dass sie lernen sollten, ihre Kunst als Geschäft zu betrachten, ohne dabei die Qualität ihrer Arbeit zu beeinträchtigen. Unternehmerisches Denken könne helfen, neue Märkte zu erschliessen und das Einkommen zu stabilisieren.
Den Kunstmarkt akzeptieren
Abbing fordert eine Veränderung im Denken vieler KünstlerInnen, die den Kunstmarkt als Bedrohung ansehen. Stattdessen sollten sie den Wert kommerziellen Erfolgs anerkennen. Er schreibt dazu: «It is commercial to be anti-commercial» und deutet damit an, dass der bewusste Umgang mit dem Markt auch Teil der künstlerischen Strategie sein kann.
Eine neue Sicht auf Kunst und Wirtschaft
Die Lösung der finanziellen Probleme von Künstlerinnen liegt laut Hans Abbing nicht in einer verstärkten staatlichen Förderung oder höheren Subventionen. Vielmehr sei es notwendig, die romantischen Mythen, die die Kunstwelt dominieren, zu hinterfragen. KünstlerInnen sollten ermutigt werden, sich realistischer mit den ökonomischen Bedingungen ihrer Arbeit auseinanderzusetzen, ohne ihre künstlerischen Werte aufzugeben. Durch eine neue Balance zwischen künstlerischer Freiheit und wirtschaftlicher Verantwortung könnten KünstlerInnen langfristig aus der Armut herausfinden und gleichzeitig ihre kreative Arbeit fortsetzen.
Abbings Buch bietet eine fundierte Analyse und regt sowohl KünstlerInnen als auch Politik und Gesellschaft dazu an, den Wert von Kunst und den Platz von Künstlern in der Wirtschaft neu zu bewerten: «Only then will something like a «true» picture begin to emerge».