Welche Besonderheiten zeigen sich bei CPTSD bei Kindern und Jugendlichen?

CPTSD zeigt sich bei Kindern und Jugendlichen oft anders als bei Erwachsenen. Extreme emotionale Reaktionen, Bindungsprobleme und Lernschwierigkeiten sind nur einige der Symptome, die auftreten können. Eine frühzeitige Diagnose und altersgerechte Therapie sind entscheidend, um langfristige Folgen zu verhindern und jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, trotz ihrer Erlebnisse ein stabiles Leben aufzubauen.

CPTSD zeigt sich bei Kindern und Jugendlichen oft anders als bei Erwachsenen. Illustration: @yuda.aiii

Daniel Frei – CPTSD zeigt sich bei Kindern und Jugendlichen oft anders als bei Erwachsenen. Die Auswirkungen anhaltender Traumata können tiefgreifende Veränderungen in der emotionalen, sozialen und kognitiven Entwicklung bewirken. Die Diagnose in dieser Altersgruppe erfordert besondere Sensibilität, da Symptome oft übersehen oder mit anderen Störungen verwechselt werden. Gleichzeitig bietet eine frühzeitige und gezielte Therapie die Chance, langfristige Folgen zu vermeiden und Heilung zu ermöglichen.

Besonderheiten von CPTSD bei Kindern und Jugendlichen

CPTSD bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Erkrankung bei Erwachsenen. Die Symptome sind oft weniger klar definiert und beeinflussen zentrale Entwicklungsbereiche:

  • Emotionale Dysregulation: Kinder und Jugendliche mit CPTSD haben häufig extreme Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu kontrollieren. Wutanfälle, plötzliche Weinkrämpfe oder völliger Rückzug sind häufige Ausdrucksformen.

  • Entwicklungsverzögerungen: Lang anhaltende Traumata können die körperliche, emotionale und kognitive Entwicklung verzögern. Manche Kinder wirken jünger, als es ihrem Alter entspricht, oder zeigen Regressionsverhalten, z. B. das Zurückfallen in frühkindliche Verhaltensweisen wie Daumenlutschen.

  • Konzentrationsprobleme und Lernschwierigkeiten: Traumata können die Fähigkeit beeinträchtigen, sich zu konzentrieren und Neues zu lernen. Kinder mit CPTSD zeigen oft eine reduzierte Schulleistung, was nicht selten fälschlicherweise als Faulheit interpretiert wird.

  • Bindungsprobleme: Kinder und Jugendliche entwickeln häufig Schwierigkeiten, stabile Beziehungen zu Gleichaltrigen oder Erwachsenen aufzubauen. Diese Bindungsprobleme können sich in übermässigem Klammem, sozialem Rückzug oder aggressivem Verhalten zeigen.

  • Selbstbild und Identität: Traumatische Erlebnisse in jungen Jahren können das Selbstbild nachhaltig beeinflussen. Kinder mit CPTSD fühlen sich oft «anders», «wertlos» oder «schuldig», wenngleich sie keine Verantwortung für das Trauma tragen.

Diagnose: Besondere Herausforderungen bei Kindern und Jugendlichen

Die Diagnose von CPTSD bei jungen Menschen ist oft komplex, da die Symptome von Entwicklungsstadien überlagert oder mit anderen Störungen verwechselt werden können.

Häufige Fehldiagnosen umfassen:

  • ADHS: Symptome wie Unaufmerksamkeit oder Impulsivität werden oft als Anzeichen von ADHS gedeutet, obwohl sie durch traumatische Erfahrungen bedingt sind.

  • Oppositionelles Verhalten: Aggressives oder trotziges Verhalten wird häufig als «schwieriges Kind» abgestempelt, ohne die zugrunde liegende Traumatisierung zu erkennen.

Eine sorgfältige Anamnese, die das Umfeld des Kindes, seine Erfahrungen und seine Reaktionen berücksichtigt, ist essenziell. Gespräche mit Eltern, Lehrpersonen und anderen Bezugspersonen können wichtige Hinweise liefern.

Therapieansätze: Unterstützung für die junge Seele

Die Therapie von CPTSD bei Kindern und Jugendlichen erfordert angepasste Ansätze, die auf die Entwicklungsstufe und die individuellen Bedürfnisse des Kindes eingehen.

Wichtige Therapieansätze umfassen:

  • Traumatherapie: Methoden wie die spielbasierte Therapie oder kreative Ansätze (z. B. Kunst- oder Musiktherapie) ermöglichen es Kindern, traumatische Erlebnisse auszudrücken, ohne sie verbalisieren zu müssen.

  • Bindungsorientierte Therapie: Die Arbeit mit Bezugspersonen, insbesondere Eltern oder Pflegeeltern, spielt eine zentrale Rolle. Bindungstherapien stärken das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen und schaffen eine stabile Grundlage für Heilung.

  • Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): Altersgerechte CBT hilft Kindern, negative Denkmuster zu erkennen und ihre Emotionen besser zu regulieren.

  • Familientherapie: Traumata wirken oft auf das gesamte Familiensystem. Eine therapeutische Einbeziehung der Familie kann dabei helfen, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen.

Frühe Intervention als Schlüssel zur Heilung

Die frühzeitige Diagnose und Behandlung von CPTSD bei Kindern und Jugendlichen sind entscheidend, um die langfristigen Auswirkungen der Störung zu minimieren. Junge Menschen verfügen über eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Anpassung und Resilienz. Mit der richtigen Unterstützung können sie lernen, mit ihren Erfahrungen umzugehen und sich positiv zu entwickeln.

Therapeutische Ansätze, die auf Verständnis, Sicherheit und Geduld basieren, ermöglichen es Kindern und Jugendlichen, sich trotz ihrer Traumata ein stabiles Fundament für ein gesundes Leben aufzubauen. Wie die Psychiaterin Dr. Judith Herman betont: «Kinder haben ein enormes Potenzial zur Heilung, wenn sie sich sicher fühlen und unterstützt werden.»

Quellen

  • Herman, J. (1992). Trauma and Recovery: The Aftermath of Violence–From Domestic Abuse to Political Terror.

  • Van der Kolk, B. (2014). The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma.

  • Cook, A. et al. (2005). Complex Trauma in Children and Adolescents.