Die Smartphone-Falle: Gefährden die Eltern die Zukunft ihrer Kinder?
Smartphones sind allgegenwärtig: Sie begleiten uns im Alltag, im Beruf, in unseren intimsten Momenten. Schon fast müssig, dies zu erwähnen. Während wir Erwachsenen uns immer mehr auf unsere mobilen Geräte verlassen und fixieren, stellen sich Fragen, die wir beantworten müssen. Welche Auswirkungen hat unsere Abhängigkeit vom Smartphone auf unsere Kinder? Und, ziehen wir möglicherweise die nächste Generation von emotional vernachlässigten und traumatisierten Kindern heran?
Daniel Frei – Das Smartphone hat sich zu einem unverzichtbaren Begleiter entwickelt. Für viele, die meisten, ist es das Erste, was sie morgens in die Hand nehmen, und das Letzte, worauf sie abends vor dem Schlafengehen blicken. Wir nutzen es, um mit Freunden und Kollegen in Kontakt zu bleiben, Informationen zu suchen und uns zu unterhalten. Aber was passiert, wenn wir so in unser Smartphone vertieft sind, dass wir die Menschen um uns herum – insbesondere unsere Kinder – vernachlässigen?
Kinder benötigen die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern
Eine Studie von Common Sense Media ergab etwa, dass Eltern durchschnittlich 3 bis 4 Stunden pro Tag am Smartphone verbringen, während die direkte Interaktion mit ihren Kindern oft auf weniger als eine Stunde pro Tag reduziert wird. Diese Zahlen sind alarmierend, da Kinder die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern benötigen, um sich sicher und geliebt zu fühlen. Wenn Eltern ständig abgelenkt sind, können wichtige Momente der Bindung verloren gehen, was sich langfristig auf die Entwicklung des Kindes auswirken kann.
Wie Smartphone-Nutzung Kinder beeinflusst
Kinder sind sehr sensibel für die Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Wenn ein Kind merkt, dass seine Eltern mehr an ihrem Smartphone interessiert sind als an ihm, kann dies zu Gefühlen der Unsicherheit und des Unwohlseins führen. Eine Studie der University of Michigan hat gezeigt, dass Kinder, deren Eltern häufig durch Smartphones abgelenkt sind, häufiger Verhaltensprobleme aufweisen, wie z. B. erhöhte Aggression oder soziale Rückzugstendenzen.
Längere Phasen der Ablenkung können auch dazu führen, dass Kinder sich emotional vernachlässigt fühlen. Emotionale Vernachlässigung ist eine Form von Missbrauch, die oft unsichtbar bleibt, aber tiefe Narben hinterlassen kann. Die American Academy of Pediatrics hat darauf hingewiesen, dass emotionale Vernachlässigung schwerwiegende Konsequenzen für die kognitive und emotionale Entwicklung von Kindern haben kann. Kinder, die emotional vernachlässigt werden, neigen dazu, später im Leben mit Problemen wie Angstzuständen, Depressionen und Bindungsschwierigkeiten zu kämpfen.
Die Gefahr der Normalisierung
Ein weiteres Problem ist, dass die ständige Nutzung von Smartphones durch Eltern als normal angesehen wird. Kinder wachsen in einer Umgebung auf, in der es als selbstverständlich gilt, während des Abendessens, beim Spielen oder sogar bei Gesprächen auf das Smartphone zu schauen. Eine Studie des Pew Research Centers zeigte, dass 72 % der Eltern sich bewusst sind, dass sie zu viel Zeit mit ihren Smartphones verbringen und dennoch Schwierigkeiten haben, ihr Verhalten zu ändern. Dadurch lernen Kinder früh, dass es in Ordnung ist, Menschen weniger Aufmerksamkeit zu schenken als Smartphones. Dies könnte zu einer Generation führen, die Probleme mit der sozialen Interaktion und Empathie hat.
Auch die Vorbildfunktion der Eltern spielt eine wichtige Rolle. Wenn Kinder sehen, dass ihre Eltern ständig auf ihr Smartphone starren, werden sie dieses Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übernehmen. Eine Langzeitstudie der Harvard University hat etwa gezeigt, dass Kinder, die in Haushalten aufwachsen, in denen Smartphones übermässig genutzt werden, selbst eine höhere Neigung zur übermässigen Nutzung digitaler Medien entwickeln und Schwierigkeiten haben, echte soziale Verbindungen aufzubauen.
Was können wir tun?
Die gute Nachricht ist, dass es Möglichkeiten gibt, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Der erste Schritt ist das Bewusstwerden und Bewusstsein. Eltern sollten sich der negativen Auswirkungen ihrer Smartphone-Nutzung bewusst werden und aktiv daran arbeiten, diese zu minimieren.
Eine einfache, aber wirkungsvolle Massnahme ist die Einführung von Smartphone-freien Zeiten und Zonen zu Hause. Eltern können etwa das Abendessen zu einer solchen Zeit erklären, damit sich die Familie auf Gespräche und gemeinsame Zeit konzentrieren kann. Die National Institutes of Health (NIH) etwa empfehlen solche Massnahmen und betonen, dass regelmässige, ungestörte Interaktionen zwischen Eltern und Kindern entscheidend für eine gesunde emotionale Entwicklung sind.
Weiter sollten Eltern überlegen, wie sie ihren Kindern beibringen können, verantwortungsbewusst mit Technologie umzugehen. Dies bedeutet nicht nur, den Kindern zu sagen, dass sie weniger Zeit vor Bildschirmen verbringen sollen, sondern ihnen auch durch ihr eigenes Verhalten zu zeigen, wie wichtig es ist, im Moment präsent zu sein und echte Verbindungen zu pflegen. Weiter sollten Eltern ihre Kinder nicht mit Technologien ruhig- und abstellen, sondern sie beim Konsum begleiten und die Erlebnisse und Erfahrungen anschliessend mit ihnen thematisieren und verarbeiten.
Ablenkung durch Smartphones: mehr als nur ein harmloser Zeitvertreib
Smartphones bieten uns viele Vorteile und Erleichterungen im Alltag. Daran besteht kein Zweifel. Aber wenn wir nicht vorsichtig sind, was momentan der Fall zu sein scheint, beeinflussen wir nicht nur die Beziehung zu und mit Kindern negativ, sondern beeinflussen auch massgeblich deren Entwicklung zu ihrem Nachteil.
Eltern sollen sich bewusst machen, dass eine ständige Ablenkung durch Smartphones mehr als nur ein harmloser Zeitvertreib ist: Die emotionale Vernachlässigung, die durch elterliche Smartphone-Fixierung verursacht wird, hat schwerwiegende und langfristige Folgen für die Kinder.
Es ist an der Zeit, dass wir unsere Gewohnheiten überdenken und sicherstellen, dass (nicht nur) Kinder wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit und Fürsorge erhalten, die sie verdienen. Nur so können wir verhindern, dass wir die nächste Generation von emotional vernachlässigten und traumatisierten Menschen heranziehen.