Ist Donald Trump ein Faschist?
Die Frage, ob Donald Trump als Faschist bezeichnet werden kann, sorgt seit Jahren für hitzige Debatten. Trumps Anhänger:innen sehen ihn als Verteidiger amerikanischer Werte, während Kritiker:innen Parallelen zu faschistischen Regimen des 20. Jahrhunderts erkennen. Mit seinem Nationalismus, der Schaffung von Feindbildern und der Neigung zur Gewaltanwendung zeigt Trump besorgniserregende autoritäre Tendenzen. Zugleich wird er in einer demokratischen Gesellschaft gewählt, was eine klare Einordnung erschwert. Um diese Debatte differenziert zu führen, müssen historische und zeitgenössische Perspektiven in die Bewertung einfliessen. Ein genauer Blick auf sein Verhalten und seine Rhetorik ist dabei unerlässlich.
Daniel Frei – Die Diskussion darüber, ob Donald Trump als Faschist bezeichnet werden kann, ist nicht nur politisch brisant, sondern auch von grosser gesellschaftlicher Bedeutung. Trumps Verhalten und Rhetorik haben viele alarmiert, die Parallelen zu faschistischen Regimen des 20. Jahrhunderts sehen. Andere betonen, dass er ein gewählter Politiker in einer demokratischen Gesellschaft ist und lehnen Vergleiche mit Faschismus ab. Um dieser Frage gerecht zu werden, ist es daher entscheidend, eine fundierte und differenzierte Analyse durchzuführen, die sowohl historische als auch zeitgenössische Perspektiven berücksichtigt.
Was ist Faschismus?
Um Donald Trump zu bewerten, müssen wir zunächst die Merkmale des Faschismus verstehen. Faschismus ist eine politische Ideologie, die in den 1920er Jahren in Italien unter der Führung von Benito Mussolini entstand. Während der italienische Faschismus auf autoritären, nationalistischen und antidemokratischen Prinzipien beruhte, nahm er in verschiedenen Ländern unterschiedliche Formen an. Der deutsche Nationalsozialismus unter Hitler wies zahlreiche Gemeinsamkeiten mit dem italienischen Faschismus auf, insbesondere den Fokus auf Führerkult, Militarismus und die Bekämpfung politischer Gegner:innen, entwickelte jedoch eine extreme und explizit rassistische Ideologie.
Historiker wie Robert Paxton und Umberto Eco haben versucht, die Merkmale des Faschismus zu systematisieren. Zu den wesentlichen Kennzeichen gehören:
Nationalismus: Eine übertriebene Betonung der eigenen Nation, oft verbunden mit einem Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen.
Autoritarismus: Die Ablehnung der Demokratie zugunsten einer zentralisierten, oft diktatorischen Macht.
Führerkult: die nahezu religiöse Verehrung eines charismatischen Anführers.
Feindbilder und Sündenböcke: Die gezielte Schaffung von Feindbildern, um die Gesellschaft zu spalten und interne «Feinde» zu bekämpfen.
Gewaltverherrlichung: Die Befürwortung von Gewalt als legitimes Mittel, um politische Ziele durchzusetzen.
Propaganda: Die Kontrolle der Medien und die Verbreitung von Desinformationen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren.
Anti-Intellektualismus: Misstrauen gegenüber Expertinn:en, Wissenschaftlerinn:en und intellektuellen Eliten.
Militarismus: die Betonung militärischer Stärke und oft auch der Einsatz von Gewalt gegen interne oder externe «Feinde”.
Isolationismus: Die Ablehnung internationaler Zusammenarbeit zugunsten einer Betonung der nationalen Souveränität.
Diese Elemente bieten einen Rahmen, um zu prüfen, inwieweit Trumps Rhetorik und Handlungen Parallelen zu faschistischen Ideologien aufweisen.
Trumps Nationalismus und Feindbilder
Einer der offensichtlichsten Aspekte von Trumps politischer Strategie ist sein ausgeprägter Nationalismus. Sein Slogan «Make America Great Again» (MAGA) betont eine Rückbesinnung auf eine vermeintlich glorreichere Vergangenheit und setzt dabei auf eine übersteigerte Betonung der amerikanischen Nation. In seiner Aussenpolitik verfolgte Trump eine stark nationalistische Linie, die unter dem Schlagwort «America First” bekannt wurde. Dies zeigt sich in seiner Skepsis gegenüber internationalen Allianzen und Abkommen, wie dem Pariser Klimaschutzabkommen oder der NATO, die er mehrfach infrage stellte.
Neben dem Nationalismus steht bei Trump die Schaffung von Feindbildern im Zentrum seiner Politik. Besonders deutlich wird dies in seinem Umgang mit Migrantinn:en und Minderheiten. Trump beschrieb Migrantinn:en aus Mexiko in seiner ersten Wahlkampagne 2016 als «Vergewaltiger» und Kriminelle, was nicht nur auf eine tief verwurzelte Fremdenfeindlichkeit hinweist, sondern auch die Gesellschaft spaltet. Ein ähnliches Muster ist in faschistischen Regimen zu beobachten, wo bestimmte Gruppen als Sündenböcke für gesellschaftliche Probleme dargestellt wurden, um nationale Einheit zu erzwingen.
Der Historiker Timothy Snyder, Autor von «Über Tyrannei», hat gewarnt, dass Trumps Rhetorik gegenüber Migrantinn:en und Minderheiten gefährliche Parallelen zur Vergangenheit aufweist. Snyder argumentiert, dass der bewusste Einsatz von Angst und Fremdenfeindlichkeit typisch für autoritäre Führer:innen sei, die versuchen, ihre Macht zu festigen, indem sie die Bevölkerung spalten und bestimmte Gruppen als Bedrohung darstellen.
Führerkult und Charisma
Ein wesentlicher Bestandteil faschistischer Regime ist der Führerkult – die fast religiöse Verehrung der Anführerin, des Anführers. Mussolini und Hitler bauten ihre Macht auf persönlichem Charisma und einem stark zentralisierten Führungsstil auf. Ähnliche Tendenzen sind bei Trump zu beobachten. Seine Anhänger verehren ihn oft als «einzigen, der Amerika retten kann». Diese fast kultische Verehrung zeigt sich in Slogans wie «Trump 2024» und in der bedingungslosen Loyalität, die viele seiner Unterstützer:innen ihm entgegenbringen.
Trump hat es verstanden, eine enge emotionale Bindung zu seiner Basis aufzubauen. Politikwissenschaftler:innen haben darauf hingewiesen, dass Trump sich als Aussenseiter und Underdog inszeniert, der gegen das «Establishment» kämpft, was ihn in den Augen seiner Anhänger authentisch und unersetzlich macht. Diese Art der Personalisierung der Macht erinnert stark an faschistische Führer:innen, die sich als Verkörperung des Willens des Volkes darstellten.
Populismus und Anti-Intellektualismus
Ein weiteres zentrales Merkmal von Trumps politischem Stil ist der Populismus. Populistische Bewegungen zeichnen sich durch die Behauptung aus, die «wahre Stimme des Volkes» zu vertreten, während politische Eliten und Intellektuelle als abgehoben und korrupt dargestellt werden. Trump hat sich wiederholt als Anwalt der «vergessenen Amerikaner:innen» dargestellt, insbesondere der weissen Arbeiterklasse im Rust Belt. Er positionierte sich gegen die «liberale Elite» und attackierte wiederholt Expertinn:en, Wissenschaftler:innen und die Medien, die er als «Fake News» bezeichnete.
Der Anti-Intellektualismus, der in Trumps Rhetorik zum Ausdruck kommt, erinnert an faschistische Bewegungen, die ebenfalls intellektuelle Eliten als Bedrohung ansahen. Faschistische Führer wie Mussolini und Hitler verachteten Intellektuelle, die sie als Feinde des «wahren Volkes» darstellten. Sie förderten stattdessen eine vereinfachte, emotionalisierte politische Kommunikation, die auf Schlagworte und Parolen setzte, um breite Massen anzusprechen.
Wirtschaftlicher Korporatismus und wirtschaftliche Interessen
Ein weiteres Merkmal des klassischen Faschismus ist der Korporatismus, bei dem der Staat enge Beziehungen zu grossen Unternehmen pflegt, um die Wirtschaft im nationalen Interesse zu steuern. Zwar hat Trump keinen ausgeprägten korporatistischen Staat wie in Mussolinis Italien geschaffen, doch seine Regierung war eng mit grossen Wirtschaftsinteressen verknüpft. Die Steuererleichterungen für Unternehmen und seine Wirtschaftspolitik, die stark auf fossile Brennstoffe setzte, zeigten, dass er bestimmte Industrien bevorzugte.
Zudem war Trumps Kabinett mit zahlreichen ehemaligen Wirtschaftsführern besetzt, und er pflegte enge Beziehungen zur Wall Street und zur Energiewirtschaft. Dies könnte als eine moderne Variante der Verflechtung von staatlichen und privaten Interessen interpretiert werden, auch wenn es nicht die umfassende Kontrolle über die Wirtschaft erreicht, die für faschistische Regime typisch ist.
Militarismus und «Law and Order»
Ein weiteres zentrales Element faschistischer Ideologien ist der Militarismus und die Betonung von Gewalt und Ordnung. Während Trump den Einsatz des Militärs nicht in gleichem Masse forderte wie historische faschistische Führer:innen, zeigte er eine starke Neigung zur «Law and Order»-Rhetorik.
Während der Proteste gegen Polizeigewalt im Sommer 2020 forderte Trump wiederholt den Einsatz des Militärs, um die Unruhen zu unterdrücken. Er betonte dabei stets die Notwendigkeit, «Recht und Ordnung» durchzusetzen, ein Ausdruck, der oft in autoritären Regimen verwendet wird, um harte Repressionen gegen oppositionelle Kräfte zu legitimieren.
Sein Versuch, paramilitärische Truppen während der Proteste in Portland und anderen Städten einzusetzen, wurde von vielen Beobachter:innen als Zeichen für seine Bereitschaft interpretiert, Gewalt als politisches Mittel einzusetzen – ein typisches Merkmal faschistischer Bewegungen.
Religiöse Instrumentalisierung
Ein interessanter Aspekt, der Trump von klassischen faschistischen Führer:innen unterscheidet, ist seine Instrumentalisierung der Religion. Während etwa Mussolini und Hitler säkulare Ideologien vertraten, hat Trump gezielt religiöse Wählergruppen, insbesondere evangelikale Christen, umworben. Er inszenierte sich als Verteidiger christlicher Werte und zog religiöse Symbole in seine politischen Auftritte ein. Dies half ihm, eine enge Verbindung zu einer wichtigen Wählergruppe aufzubauen, ähnlich wie faschistische Führer:innen in der Vergangenheit gezielt religiöse Symbolik nutzten, um ihre Macht zu festigen.
Verleugnung von Wahlergebnissen und Angriff auf die Demokratie
Einer der gefährlichsten Aspekte von Trumps politischem Verhalten ist seine Weigerung, Wahlergebnisse zu akzeptieren. Nach der Wahl 2020 behauptete Trump, erwiesenermassen fälschlicherweise, dass die Wahl «gestohlen» worden sei, und rief seine Anhänger:innen dazu auf, gegen das Wahlergebnis zu kämpfen. Diese Rhetorik führte zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, einem beispiellosen Angriff auf die amerikanische Demokratie.
Faschistische Führer:innen haben oft ähnliche Strategien angewendet, um Wahlergebnisse zu delegitimieren und ihre eigene Macht zu festigen. Historiker wie Robert Paxton betonen, dass der Angriff auf demokratische Institutionen und der Versuch, das Vertrauen in das Wahlsystem zu untergraben, zentrale Merkmale faschistischer Bewegungen sind.
Fazit: Ist Trump ein Faschist?
Die Frage, ob Donald Trump als Faschist bezeichnet werden kann, bleibt umstritten. Es gibt viele Parallelen zwischen seinem Verhalten und den klassischen Merkmalen des Faschismus: Sein Nationalismus, die Schaffung von Feindbildern, die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt und seine Angriffe auf demokratische Prozesse sind alarmierend und erinnern an faschistische Tendenzen. Gleichzeitig bleibt er ein gewählter Politiker, dessen Macht durch starke demokratische Institutionen begrenzt wurde.
Ob man Trump als Faschisten bezeichnet oder nicht, hängt letztlich von der Definition ab, die man zugrunde legt. Sicher ist jedoch, dass seine autoritären Neigungen und seine Rhetorik eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie darstellen. Seine Handlungen zeigen, dass er bereit ist, demokratische Normen zu missachten und Macht um jeden Preis zu erlangen – ein gefährlicher Trend, der wachsam beobachtet werden muss.