Für Stimmen zahlen, weil jede Stimme zählt?

In modernen Demokratien wird der Einfluss von Geld auf politische Prozesse immer deutlicher. In den USA bieten Super-PACs den Reichen die Möglichkeit, grosse Geldsummen für politische Zwecke einzusetzen, wie im Fall von Elon Musk, der angeblich finanzielle Anreize zur Wähler:innenmobilisierung nutzt. In der Schweiz steht die Kommerzialisierung der Unterschriftensammlung für Volksinitiativen zur Debatte. Während der Einsatz von Geld sowohl in den USA als auch in der Schweiz nicht illegal ist, wirft er in beiden Ländern ethische Fragen auf und gefährdet möglicherweise das Vertrauen in demokratische Prozesse.

In Demokratien ist jede Stimme ein wertvolles Gut, jede Stimme zählt, sofern sie denn auch abgegeben wird. Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – In Demokratien ist jede Stimme ein wertvolles Gut, jede Stimme zählt, sofern sie denn auch abgegeben wird. Wahlkämpfe drehen sich um die Mobilisierung von Wähler:innen um sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen – oft in der Hoffnung, dass sie für die «richtige» Partei oder Initiative stimmen. Doch in den vergangenen Jahren haben zwei Phänomene die Debatte über den Einfluss von Geld in politischen Prozessen neu entfacht: finanzielle Anreize für Wähler:innen und bezahlte Unterschriftensammlungen. Beispiele aus den USA und der Schweiz verdeutlichen die Unterschiede dieser Praktiken und ihre Konsequenzen.

Der Fall Musk: Geld als Motivator für Wähler:innen?

Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl wurde mehrfach berichtet, dass der Tech-Milliardär und bekannte Trump-Unterstützer Elon Musk Geld einsetzt, um politische Ziele zu fördern. Eine Behauptung, die aufkommt, ist, dass Musk finanzielle Anreize über seine Organisation «America PAC» angeboten habe, um die Wähler:innenschaft zu mobilisieren. Zwar gibt es in den USA durch das Citizens United Urteil von 2010 die Möglichkeit, unbegrenzte Summen durch sogenannte Super-PACs zu spenden, doch der direkte Einsatz von Geld, um Wähler:innen zu beeinflussen, ist rechtlich hochproblematisch.

Laut US-Wahlgesetz ist es illegal, Wähler:innen für ihre Registrierung oder Stimmabgabe zu bezahlen. Auch wenn es bislang keine verifizierten Beweise dafür gibt, dass Musk direkt solche Summen für die Mobilisierung von Wähler:innen ausgelobt hat, wäre eine solche Aktion eine erhebliche Herausforderung für das Wahlsystem.

Was Musk jedoch tut, spiegelt eine breitere Entwicklung wider: Der Einfluss von Superreichen auf die Politik ist in den USA zunehmend zum Normalfall geworden, und der Einsatz grosser Geldsummen, um politische Botschaften zu verbreiten oder Anhänger:innen zu mobilisieren, verwischt die Grenzen einer ethischen Wahlkampfführung.

Die Schweizer Praxis: Unterschriften gegen Bezahlung

Während in den USA der Einsatz von Geld in Wahlprozessen an der Stimmabgabe selbst ansetzt, geht es bei uns in der Schweiz um einen früheren Schritt: die Sammlung von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden. In den vergangenen Jahren ist es zunehmend üblich geworden, bezahlte Unterschriftensammler:innen einzusetzen, um die erforderliche Anzahl an Unterschriften für Initiativen zu erhalten.

Ein prominentes Beispiel hierfür war die Referendumskampagne gegen den Vaterschaftsurlaub, bei der Unterschriftensammler:innen bis zu fünf Franken pro Unterschrift erhielten. Solche Zahlungen sind in der Schweiz nicht illegal, aber ethisch umstritten.

Kritiker:innen argumentieren, dass die zunehmende Kommerzialisierung der Unterschriftensammlung das Grundprinzip der direkten Demokratie gefährdet. Wenn finanzielle Interessen die Unterschriftensammlung dominieren, stellt sich die Frage, ob Initiativen noch den echten Volkswillen repräsentieren oder von denen finanziert werden, die es sich leisten können.

Diese Praxis birgt auch praktische Risiken: Es gibt Berichte darüber, dass Passantinn:en gelegentlich in die Irre geführt wurden, ohne genau zu wissen, wofür sie eigentlich unterschrieben. Dennoch greifen viele politische Akteure, auch solche, die bezahlte Sammler:innen öffentlich ablehnen, in bestimmten Situationen auf solche Methoden zurück, wenn die Sammlung ins Stocken gerät.

Parallelen und Unterschiede: Stimmenkauf auf zwei Ebenen

Beide Fälle – Musk in den USA und die bezahlten Unterschriftensammler:innen in der Schweiz – zeigen, wie Geld zunehmend politische Prozesse beeinflusst. In den USA konzentriert sich dieser Einfluss auf die Wählerregistrierung und möglicherweise die Wahl selbst, während es in der Schweiz um die Vorstufe der politischen Entscheidungsfindung geht: die Unterschriftensammlung.

In den USA ist der Einsatz von Geld in der Politik seit Langem ein umstrittenes Thema. Das System der Super-PACs erlaubt es wohlhabenden Einzelpersonen und Unternehmen, grossen Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen, ohne direkte Kontrolle durch die Kandidatinn:en. Musks Ansätze – soweit sie bekannt sind – scheinen diesen Weg weiterzugehen, indem Geld als Mittel zur politischen Mobilisierung eingesetzt wird.

In der Schweiz hingegen stellt sich die Frage, ob die direkte Demokratie durch die Kommerzialisierung der Unterschriftensammlung untergraben wird. Der Einsatz von Geld auf dieser Ebene könnte zu einer Schieflage führen, bei der finanziell gut ausgestattete Akteure überproportionalen Einfluss auf politische Prozesse ausüben. Parteien wie die SP, die bezahlte Sammler:innen offiziell ablehnen, stehen oft vor dem Dilemma, ob sie angesichts der Herausforderungen im politischen Betrieb externe Hilfe in Anspruch nehmen sollten.

Geld und Demokratie

In beiden Fällen wird eine tiefere Wahrheit sichtbar: In modernen Demokratien hängt die Mobilisierung politischer Unterstützung oft von finanziellen Mitteln ab. Dies birgt die Gefahr, dass die politische Willensbildung verzerrt wird. In den USA drohen Aktionen wie die von Musk, das Vertrauen der Menschen in das Wahlsystem weiter zu untergraben. Wenn Wähler:innen das Gefühl haben, dass ihre Stimme weniger zählt als das Geld der Reichen, könnte dies die Wahlbeteiligung und das Vertrauen in demokratische Prozesse schwächen.

In der Schweiz hingegen besteht die Gefahr, dass das Herzstück der direkten Demokratie Schaden nimmt. Wenn Initiativen zunehmend von finanziellen Mitteln abhängen, könnte das System in eine Schieflage geraten, bei der finanzstarke Akteure mehr Einfluss haben als die durchschnittlichen Bürger:innen. Die Kommerzialisierung der Unterschriftensammlung könnte das Vertrauen in Volksinitiativen erodieren.

In beiden Fällen stellt sich die zentrale Frage: Wie viel Einfluss sollte Geld auf politische Prozesse haben? Und wie kann sichergestellt werden, dass demokratische Werte nicht zu einem blossen Handelsgut verkommen?

Eines ist klar: Geld kann zwar Wahlen und Volksabstimmungen beeinflussen, aber das Vertrauen der Bevölkerung in das System sollte niemals gefährdet werden.