Loslassen ist kein Exit: Warum Unternehmensnachfolge Trauerarbeit verlangt
Nachfolge ist mehr als ein Plan – sie ist ein Prozess. Oft ein schmerzhafter. Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer ihr Lebenswerk übergeben, endet nicht nur ein Kapitel im Firmenbuch. Es beginnt eine stille, innere Reise: der Abschied von einer Rolle, einer Identität, einem Ort der Wirksamkeit. Was rational meist durchdacht erscheint – Exit-Strategie, Unternehmensbewertung, Nachfolgeregelung – bleibt emotional oft unbearbeitet. Dabei ist genau das der Schlüssel für eine gelingende Übergabe: das Loslassen. Das Trauern. Das Anerkennen des Endes.
Daniel Frei – Abschied vom eigenen Lebenswerk: der Moment ist oft genug unscheinbar. Und gleichzeitig alles. Ein Schlüssel wechselt die Hand. Eine Unterschrift trocknet auf Papier. Ein Blick bleibt länger haften, als er sollte. Und dann ist es vorbei. Oder beginnt etwas?
Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist die Nachfolgeregelung nicht nur ein strategischer oder finanzieller Akt. Es ist ein innerer Umbruch. Eine leise Erschütterung. Der Abschied von einem Lebenswerk – das man vielleicht jahrelang aufgebaut, verteidigt, geformt hat. Und das nun in andere Hände übergeht. Rational oft gut vorbereitet, emotional selten.
Denn was hier geschieht, ist mehr als ein Übergabeprozess. Es ist ein Abschied. Und Abschied verlangt Trauer – auch wenn das Wort im Business-Kontext unbequem wirkt. Elisabeth Kübler-Ross, Schweizer Ärztin und Pionierin der Sterbeforschung, hat mit ihren fünf Phasen der Trauer ein Modell geschaffen, das bis heute wirkt. Es hilft nicht nur beim Tod eines Menschen. Es hilft auch beim Tod einer Rolle. Einer Ära. Einer Identität.
Dieser Text folgt dem Gedanken: Unternehmensnachfolge ist nicht nur Organisation. Sie ist auch und vor allem Emotion. Nicht nur Zukunftsplanung – sondern mehr noch Gegenwartsbewältigung. Wer seine Firma wirklich übergeben will, muss lernen, loszulassen. Und wer loslässt, soll trauern dürfen.
Die unsichtbare Dimension der Nachfolge
Wenn von Nachfolge die Rede ist, geht es meist um Zahlen. Bewertungen. Beteiligungen. Steuerliche Optimierungen. Übergabeverträge. Was selten zur Sprache kommt, ist das, was dazwischen liegt: die Leere. Die Wehmut. Der Kloss im Hals. Unternehmer reden selten über Schmerz. Sie sprechen über Chancen. Über Wachstum. Über Verantwortung. Aber nicht darüber, dass es wehtut, nicht mehr gebraucht zu werden. Nicht darüber, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Büro plötzlich jemand anderem gehört. Wenn man plötzlich Gast in den eigenen Räumen ist. Nachfolge ist ein wirtschaftlicher Vorgang. Aber vor allem ist sie ein psychologischer.
Die fünf Phasen des Loslassens – Trauerarbeit nach Kübler-Ross
Leugnen – «Ich bin noch nicht so weit»
Viele Unternehmer verdrängen den Abschied. Sie planen lange – aber handeln spät. Sie sagen: «Jetzt ist keine gute Zeit.» Oder: «Ich mache das in ein, zwei Jahren.» Leugnung ist Schutz. Sie hilft, nicht überrannt zu werden von der Wucht des Endes. Doch sie verhindert Bewegung. Denn Veränderung beginnt mit Anerkennung: Etwas geht zu Ende. Ich werde gehen.
Zorn – «Die verstehen gar nicht, was ich aufgebaut habe»
Wenn der Gedanke zum Aufhören konkreter wird, kommt oft der Ärger. Über vermeintlich unfähige Nachfolger. Über die Bürokratie. Über die Kinder, die «nicht wirklich interessiert» sind. Oder über sich selbst – für das Älterwerden, für verpasste Chancen, für zu wenig Planung. Zorn ist Energie. Aber auch Gefahr. Denn wer wütend wird, verbaut sich oft die Brücke zu den anderen. Und die braucht es. Für einen Übergang, der trägt.
Verhandeln – «Vielleicht bleibe ich als Verwaltungsrat …»
Hier beginnt das Feilschen. Man sucht Kompromisse. Will nicht ganz weg sein. Sagt: «Ich halte mich raus, aber bin verfügbar.» Oder: «Ich mische mich nicht ein – aber ich möchte informiert werden.» Menschlich. Denn der Gedanke, plötzlich nicht mehr Teil des Spiels zu sein, tut weh. Aber echte Nachfolge beginnt erst, wenn Kontrolle aufgegeben wird. Wenn Einfluss nicht mehr gesucht, sondern bewusst entzogen wird.
Depression – «Wer bin ich ohne das alles?»
Es gibt einen Moment, da bricht die Stille über einen herein. Wenn der Terminkalender leer ist. Wenn das Telefon nicht mehr klingelt. Wenn niemand mehr «Chef» sagt. Das kann einsam machen. Traurig. Sinnlos. Diese Phase ist gefährlich. Aber auch heilsam. Denn sie führt zur entscheidenden Frage: Was bleibt – wenn der, die, das Alte geht?
Akzeptanz – «Ich bin frei»
Die letzte Phase ist kein Happy End. Aber sie ist ein Anfang. Akzeptanz heisst: Ich habe losgelassen. Nicht resigniert. Sondern bewusst entschieden. Es ist der Moment, in dem aus dem Lebenswerk ein Vermächtnis wird. Und aus dem ehemaligen Unternehmer – ein Mensch mit Zukunft.
Rituale des Abschieds – Aktives Trauern
Trauer ist nicht nur ein Gefühl. Sie ist ein Prozess. Und sie will gestaltet werden. Rituale helfen. Eine Rede. Ein Fest. Ein gemeinsamer Rückblick mit dem Team. Auch Symbole sind wichtig: Die letzte Unterschrift. Der letzte Gang durchs Unternehmen. Die bewusste Entscheidung, den Schlüssel zu übergeben – und ihn nicht wieder zurückzufordern. Wer Abschied nicht zelebriert, trägt ihn weiter. Unausgesprochen. Unverarbeitet. Unwirksam.
Identität ohne Firma – Wer bin ich jetzt?
Für viele ist das Unternehmen mehr als ein Job. Es ist Heimat. Bühne. Kampfplatz. Familie. Wenn das geht – geht auch ein Teil von einem selbst. Oder nicht? Gerade charismatische Führungspersönlichkeiten haben es schwer, ohne Projekt. Ohne Status. Ohne Bühne. Doch wer seine Identität nur über Funktion definiert, steht nackt da, wenn sie fällt. Nachfolge verlangt deshalb nicht nur Übergabe. Sondern Selbstklärung: Wer bin ich, wenn ich nicht mehr führen muss?
Beziehung statt Kontrolle – Vertrauen statt Angst
Nachfolge ist Beziehung. Zwischen Übergebenden und Übernehmenden. Diese Beziehung ist geprägt von Ambivalenz. Stolz – und Skepsis. Hoffnung – und Misstrauen. Wer den Nachfolger als Gefahr sieht, hat schon verloren. Denn Nachfolge braucht Vertrauen. Und das beginnt mit einem Schritt zurück. Es braucht die Fähigkeit, nicht mehr recht haben zu müssen. Sondern wachsen zu lassen.
Was bleibt?
Nachfolge ist nicht das Ende von Wirkung. Es ist ihr nächstes Kapitel. Die Frage ist nicht: Wer macht es jetzt? Sondern: Wie wirkt mein Denken weiter – auch ohne mich? Ein gutes Unternehmen lebt nicht von Kontrolle. Sondern von Kultur. Und eine gute Kultur bleibt. Wenn sie nicht erdrückt wurde vom Ego.
Nachfolge als Beginn
Es gibt ein Leben nach der Macht. Und es kann ein gutes sein. Mentoring. Stiftungen. Schreiben. Reisen. Gärtnern. Denken. Da-Sein. Oder einfach: Nichts müssen. Wer gut übergibt, bekommt etwas zurück: Zeit. Und die Freiheit, nicht mehr kämpfen zu müssen.
Die Nachfolge ist kein Tod – aber sie ist ein Abschied. Und wer diesen Abschied gestaltet, statt ihn zu verdrängen, gibt nicht nur das Unternehmen weiter. Sondern auch sich selbst – in einer neuen Form. Denn: Loslassen ist kein Exit. Es ist ein Akt der Reife. Und manchmal sogar: der Liebe.
Retreat Nachfolgeregelung
Loslassen ist keine Technik
Übergeben: Retreat zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge. Für Unternehmerinnen und Unternehmer, die nicht nur das Geschäft übergeben, sondern auch Verantwortung, Haltung und Vertrauen.
Es geht nicht darum, Antworten zu liefern – sondern die richtigen Fragen zuzulassen.
Nicht darum, fertig zu werden – sondern reif zu werden für das, was kommt.
Wenn Sie spüren, dass Nachfolge mehr ist als ein juristischer Akt – mehr Beziehung als Besitz – dann sind Sie bereit für den nächsten Schritt:
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