«The Only Thing We Have to Fear Is Fear Itself»: Warum Roosevelts Zitat heute aktueller ist denn je
«The only thing we have to fear is fear itself – nameless, unreasoning, unjustified terror which paralyzes needed efforts to convert retreat into advance»: Diese Worte, gesprochen vom amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt im Jahr 1933, sind weit mehr als ein rhetorisches Meisterwerk. Sie sind eine Botschaft, die eine Krise durchbrechen sollte und bis heute als Warnung vor der lähmenden Kraft der Angst dient. Aber was meinte Roosevelt genau? Wie entstand dieses Zitat, und welche Bedeutung hat es heute?
Daniel Frei – Am 4. März 1933 trat Franklin D. Roosevelt als 32. Präsident der Vereinigten Staaten sein Amt an. Es war eine düstere Zeit: Die Weltwirtschaftskrise hatte Millionen von Menschen in Armut und Erwerbslosigkeit gestürzt, das Bankensystem war zusammengebrochen, und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung war tief erschüttert. In diesem Umfeld hielt Roosevelt seine erste Antrittsrede. Gleich zu Beginn der Rede sprach er jene Worte, die zu einem der berühmtesten Zitate der politischen Geschichte wurden:
«So, first of all, let me assert my firm belief that the only thing we have to fear is fear itself – nameless, unreasoning, unjustified terror which paralyzes needed efforts to convert retreat into advance.»
Dieser Satz war mehr als eine rhetorische Eröffnung. Er setzte einen psychologischen Schwerpunkt. Roosevelt erkannte, dass die lähmende Angst, die in der Bevölkerung herrschte, eine der Hauptursachen für die Vertiefung der Krise war. Die Rede sollte Mut machen und den Willen zur Tat stärken – eine Voraussetzung, um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Great Depression zu überwinden.
Die Macht der Angst
Roosevelts Worte haben universelle Relevanz, weil sie ein tiefes Verständnis der menschlichen Psyche und ihrer Auswirkungen auf Gesellschaften zeigen. Angst ist ein mächtiges Gefühl, das in Krisenzeiten oft zur grössten Hürde wird. Sie verzerrt die Wahrnehmung, blockiert rationale Entscheidungen und führt zu einem Zustand der Lähmung.
Mit seiner Rede wollte Roosevelt den Teufelskreis durchbrechen, den irrationale Furcht in Gang setzt. Er sprach nicht von jeder Form von Angst – Sorgen und Vorsicht können durchaus berechtigt sein und zu klugen Entscheidungen führen. Vielmehr wandte er sich gegen die «namenlose, unvernünftige, ungerechtfertigte» Panik, die das Vertrauen in die kollektive Handlungsfähigkeit zerstörte. Es ging ihm darum, die Menschen zu ermutigen, aktiv zu werden, anstatt sich von der lähmenden Macht der Angst kontrollieren zu lassen.
Warum das Zitat oft unvollständig bleibt
In den meisten Fällen wird das Zitat auf die ersten elf Worte verkürzt: «The only thing we have to fear is fear itself.» Dabei bleibt ein wesentlicher Teil von Roosevelts Botschaft unberücksichtigt. Ohne den Zusatz «nameless, unreasoning, unjustified terror» fehlt die Differenzierung, die deutlich macht, dass Roosevelt nicht jede Form der Furcht verurteilte, sondern spezifisch die destruktive, irrationale Angst ansprach, die dringend benötigtes Handeln verhinderte.
Diese Verkürzung verändert den Kern der Aussage. Roosevelt wollte die Menschen nicht auffordern, alle Risiken zu ignorieren oder in blinden Optimismus zu verfallen. Er warnte davor, dass Angst, wenn sie irrational wird, nicht nur lähmend wirkt, sondern sich auch potenzieren kann – ein psychologisches Phänomen, das wir heute als «Angstspirale» bezeichnen würden.
Historischer und moderner Kontext
Im historischen Kontext der Great Depression war Roosevelts Appell eine gezielte Intervention. Die Krise war nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine mentale. Das Land war geprägt von kollektiver Hoffnungslosigkeit, die jede Anstrengung zur Besserung sabotierte. Roosevelt erkannte, dass ein Wandel nur möglich war, wenn die Menschen die lähmende Angst überwanden und aktiv an der Lösung der Probleme arbeiteten.
Heute hat das Zitat eine ebenso grosse Bedeutung. Angst ist nach wie vor eine treibende Kraft, die Entscheidungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene beeinflusst. Ob in der Klimakrise, bei politischen Polarisierungen, während Pandemien oder in wirtschaftlichen Unsicherheiten – die Mechanismen, die Roosevelt ansprach, sind immer noch präsent. Angst wird oft gezielt geschürt, sei es durch populistische Politik, alarmierende Medienberichte oder soziale Netzwerke.
Die Lektion, die wir aus Roosevelts Worten ziehen können, ist klar: Angst darf uns nicht dominieren. Sie ist ein schlechter Ratgeber, wenn sie irrational wird. Sie spaltet, lähmt und hindert uns daran, gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Der heutige Auftrag: Mut und Rationalität
Roosevelts Botschaft ist aktueller denn je. Unsere Welt ist von Unsicherheiten geprägt – von globalen Krisen bis zu individuellen Ängsten. Aber anstatt uns von irrationalen Furchtgefühlen leiten zu lassen, lassen Sie uns lernen, mutig und rational zu handeln.
Dies bedeutet nicht, Risiken zu ignorieren, sondern ihnen mit klarem Kopf zu begegnen. Es bedeutet, Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit und in die Kraft der Gemeinschaft zu haben. Die grösste Gefahr ist nicht die Krise selbst, sondern unsere Reaktion darauf. Wie Roosevelt sagte: «Die einzige Sache, die wir wirklich zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.»
Lassen wir uns nicht von ihr beherrschen. Es liegt an uns, die Spirale der Angst zu durchbrechen und den Weg für Fortschritt, Solidarität und Hoffnung zu ebnen.
Quellen
Roosevelt, Franklin D.: First Inaugural Address, 4. März 1933
Kennedy, David M.: Freedom from Fear: The American People in Depression and War, 1929–1945. Oxford University Press, 1999
Collier, David R.: The Politics of Fear: Historical and Contemporary Perspectives. Routledge, 2016
Damasio, Antonio R.: The Strange Order of Things: Life, Feeling, and the Making of Cultures. Vintage, 2018