«Ja, aber» – Wie «Aber» das vorher Gesagte zunichtemacht

Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein Instrument der Macht, Manipulation und Nuancierung. Ein scheinbar harmloses Wort, das diese Aspekte vereint, ist das Wort «Aber», denn es hat eine ganz bemerkenswerte Kraft: Es kann die Bedeutung des Vorhergesagten schmälern, negieren und sogar ins Gegenteil verkehren. In diesem Text untersuche ich, wie das «Aber» die Dynamik eines Dialogs verändert, oft eine Zustimmung in eine versteckte Ablehnung verwandelt und letztlich die Wahrnehmung des Gesprächspartners beeinflusst. Gleichzeitig zeige ich auf, wie dieses Wort in verschiedenen Kontexten, von alltäglichen Gesprächen über politische Debatten bis hin zur Literatur und Philosophie, eingesetzt wird, um seine tiefe Wirkung zu verdeutlichen.

«Aber»: ein bemerkenswert kraftvolles Wort. Künstler:in unbekannt Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Das «Ja, aber» ist eine der häufigsten Wendungen in der alltäglichen Kommunikation. Auf den ersten Blick erscheint es wie eine Zustimmung, jedoch fungiert das «Aber» hier als ein semantischer Wendepunkt, der das vorherige «Ja» untergräbt. Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun beschreibt das «Ja, aber» als «Killerphrase», die ein Gespräch ins Stocken bringt und die geäusserte Zustimmung sofort relativiert oder gar negiert, kurz es ist eine rhetorische Falle.

Um die subtile Macht dieser Phrase zu veranschaulichen, betrachten wir ein Beispiel aus einem beruflichen Kontext: Eine vorgesetzte Person sagt zu MitarbeiterInnen: «Ja, Ihre Präsentation war gut vorbereitet, aber Sie haben die wichtigsten Punkte nicht klar genug herausgestellt.» In diesem Satz wird die anfängliche Anerkennung («gut vorbereitet») sofort durch die Kritik relativiert. Das Team-Mitglied bleibt am Ende mit dem Gefühl zurück, nicht wirklich gelobt worden zu sein, sondern vielmehr auf seine Schwächen hingewiesen worden zu sein. Die Wirkung des «Ja, aber» ist, dass das «Ja» fast vollständig in den Hintergrund tritt und das «Aber» die eigentliche Botschaft trägt.

In politischen Diskussionen dient das «Ja, aber» häufig dazu, sich diplomatisch auszudrücken, ohne klare Position zu beziehen. PolitikerInnen nutzen diese Phrase, um einerseits Zustimmung zu signalisieren und andererseits ihre eigene Position zu verteidigen oder zu relativieren: «Ja, die Umwelt ist wichtig, aber wir müssen auch die Wirtschaft im Blick behalten.» Hier scheint die sprechende Person die Bedeutung des Umweltschutzes anzuerkennen, lenkt jedoch die Aufmerksamkeit auf die Wirtschaft, wodurch das Umweltthema an Gewicht verliert. Tatsächlich signalisiert sie, dass die Umwelt zwar wichtig ist, aber nicht wichtiger als die wirtschaftlichen Interessen.

Die Macht des «Aber» in der Argumentation

In der Rhetorik ist «Aber» ein äusserst mächtiges Werkzeug, das der Sprecherin, dem Sprecher erlaubt, scheinbar zugestimmt zu haben, bevor widersprochen wird. Dadurch wird die eigene Position subtiler und weniger konfrontativ vermittelt. Diese Technik ist besonders in politischen Debatten, Verhandlungen und auch in der Werbung beliebt, wo es darauf ankommt, die Meinung des Publikums geschickt zu beeinflussen.

Betrachten wir ein Beispiel aus der Werbung: «Ja, unser Produkt ist teurer, aber es bietet Ihnen auch mehr Qualität.» Hier versucht die Werbebotschaft, den höheren Preis zu rechtfertigen, indem sie ihn sofort mit einem positiven Aspekt – der höheren Qualität – verbindet. Potenzielle Kundinnen und Kunden soll sich auf den Vorteil konzentrieren und den negativen Aspekt des höheren Preises relativieren oder sogar übersehen.

Ein weiteres Beispiel findet sich in politischen Reden. Winston Churchill, bekannt für seine rhetorischen Fähigkeiten, nutzte das «Aber» geschickt, um die öffentliche Meinung zu lenken. In einer seiner Reden sagte er: «Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, aber sie ist die beste, die wir haben.» Hier setzt Churchill das «Aber» ein, um die Mängel der Demokratie anzuerkennen und gleichzeitig ihre Überlegenheit gegenüber anderen Regierungsformen zu betonen. Das «Aber» schafft hier eine Balance, indem es die negative Aussage abschwächt und den Fokus auf das Positive lenkt.

Psychologische Wirkung des «Aber»

Aus psychologischer Sicht hat das «Aber» eine tiefgehende Wirkung auf das Gegenüber. Der Psychologe Paul Watzlawick, bekannt für seine Arbeiten zur Kommunikationstheorie, bemerkte, dass Menschen Botschaften sowohl auf der Inhalts- als auch auf der Beziehungsebene verarbeiten. Ein «Ja, aber» kommuniziert auf der Inhaltsebene Zustimmung, signalisiert jedoch auf der Beziehungsebene Distanzierung oder Widerspruch. Diese doppelte Botschaft kann beim Gegenüber Verwirrung oder Frustration auslösen, weil die klare Position der sprechenden Person nicht greifbar wird.

In einem Eltern-Kind-Gespräch könnte eine Mutter sagen: «Ja, ich verstehe, dass du mit deinen Freunden ausgehen möchtest, aber du musst morgen früh aufstehen.» Das «Aber» negiert die anfängliche Zustimmung und stellt die Autorität der Mutter in den Vordergrund. Das Kind fühlt sich möglicherweise nicht ernst genommen, weil seine Wünsche scheinbar anerkannt, aber letztlich abgelehnt werden.

In Konfliktgesprächen, insbesondere in Paarbeziehungen, kann das «Aber» zu einem Eskalationsfaktor werden. Wenn eine Person sagt: «Ja, ich verstehe deine Gefühle, aber du übertreibst», wird das Verständnis durch das «Aber» wieder infrage gestellt. Dies kann dazu führen, dass die andere Person sich nicht ernst genommen fühlt und das Gespräch in eine hitzigere Richtung driftet. Das «Aber» wirkt hier wie ein Auslöser, der eine konstruktive Kommunikation verhindert und stattdessen den Konflikt verstärkt.

«Ja, aber» in der Transaktionsanalyse

Im Modell der Transaktionsanalyse, einer Theorie der menschlichen Kommunikation, wird das «Ja, aber» als Teil eines unbewussten Kommunikationsspiels betrachtet, das «Nimm mich auf den Arm» genannt wird. Dieses Spiel, beschrieben von Eric Berne, dem Begründer der Transaktionsanalyse, läuft darauf hinaus, dass eine Person scheinbar zustimmt, um daraufhin eine versteckte Ablehnung oder einen Vorbehalt zu äussern. Das «Ja, aber» dient hierbei oft als Abwehrmechanismus. Eine Person gibt vor, offen für Vorschläge oder Lösungen zu sein, um dann mit dem «Aber» alle Ansätze zu entkräften. Dies führt zu einer Sackgasse im Gespräch, da es dem Menschen keine Möglichkeit gibt, wirklich Einfluss zu nehmen oder konstruktive Vorschläge anzubringen. Das «Ja, aber» untergräbt also nicht nur die Kommunikation, sondern kann auch eine Form von Manipulation sein, bei der die Verantwortung auf den anderen übertragen wird, während man insgeheim in der Opferrolle verharrt.

Das «Aber» in der Literatur und Philosophie

Auch in der Literatur und Philosophie spielt das «Aber» eine entscheidende Rolle. Friedrich Nietzsche, Meister des paradoxen Denkens, nutzte das «Aber» häufig, um seine Gedanken zu differenzieren und gegensätzliche Ideen nebeneinanderzustellen. In «Also sprach Zarathustra» schreibt er: «Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!» Und im nächsten Satz relativiert er diese provokative Aussage: «Aber nicht, um sie zu schlagen, sondern um dich zu verteidigen.» Nietzsche gebraucht das «Aber», um die Leserinnen und Leser zu irritieren und sie zum Nachdenken zu zwingen, indem er die Erwartungen bricht und die Moral der Geschichte hinterfragt. Das «Aber» dient hier nicht nur der Relativierung, sondern der intellektuellen Herausforderung der lesenden Personen.

In der Literatur markiert das «Aber» oft den Wendepunkt einer Handlung oder die Enthüllung einer unerwarteten Wahrheit. Ein klassisches Beispiel finden wir in Franz Kafkas «Der Prozess». Die Erzählung ist voller Passagen, in denen das «Aber» die scheinbare Realität ins Wanken bringt. Josef K. glaubt zunächst, dass seine Verhaftung ein Irrtum ist, aber je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr erkennt er die Unentrinnbarkeit seines Schicksals. Das «Aber» fungiert hier als Vorbote des Unheils, das über der gesamten Geschichte schwebt. Es ist ein Symbol für die Unsicherheit und die Absurdität, die Kafkas Werke durchzieht.

In der Philosophie wird das «Aber» häufig verwendet, um Gegensätze zu erörtern und Dialektik zu betreiben. Hegel nutzte in seiner «Phänomenologie des Geistes» das «Aber», um den Übergang von These zu Antithese zu markieren und so den dialektischen Prozess voranzutreiben. Ein Beispiel: «Das Bewusstsein nimmt die Welt wahr, aber es erkennt, dass diese Wahrnehmung subjektiv ist.» Hier dient das «Aber» nicht der Relativierung, sondern der Fortführung und Vertiefung des Denkprozesses. Es schafft eine Brücke zwischen zwei scheinbar widersprüchlichen Aussagen und eröffnet dadurch neue Erkenntnisperspektiven.

«Aber» in der Kunst und im Alltag

Nicht nur in der Sprache, auch in der bildenden Kunst und im alltäglichen Leben spielt das «Aber» eine Rolle. In der Kunst wird es oft als Kontrastmittel eingesetzt, um Gegensätze zu betonen und die betrachtenden Personen zum Nachdenken zu bringen. Der deutsche Expressionist Ernst Ludwig Kirchner beispielsweise setzte in seinen Gemälden oft leuchtende Farben ein, die auf den ersten Blick fröhlich wirken, aber in Kombination mit den dargestellten Szenen eine düstere, bedrückende Atmosphäre erzeugen. Dieses «Aber» in der Bildsprache führt zu einer Ambivalenz, die Betrachtende herausfordert und zur Reflexion anregt.

Im Alltag begegnet uns das «Aber» in vielen sozialen Interaktionen, oft unbewusst. Ein einfaches Beispiel ist eine Einladung, die mit den Worten «Ich würde gerne kommen, aber ich habe leider schon etwas vor» abgelehnt wird. Hier wird der Wunsch, zu kommen, durch das «Aber» relativiert, sodass die Ablehnung im Vordergrund steht. Das «Aber» schafft es, die Enttäuschung der Ablehnung zu mildern, indem es eine scheinbare Nähe herstellt, die jedoch sofort wieder aufgelöst wird.

Ein anderes Beispiel finden wir wiederum im Bereich der Eltern-Kind-Kommunikation: «Ich weiss, dass du lieber spielen würdest, aber erst müssen die Hausaufgaben erledigt werden.» Das «Aber» setzt eine klare Priorität und signalisiert, dass der Wunsch des Kindes zwar verstanden wird, aber nicht erfüllt werden kann. Es ist ein pädagogisches Mittel, um Regeln durchzusetzen, ohne dabei die Bedürfnisse des Kindes völlig zu ignorieren.

Auswege aus dem «Aber»

Um aus der destruktiven Wirkung des «Ja, aber» auszubrechen, empfiehlt es sich, das «Aber» durch konstruktivere Alternativen zu ersetzen. Eine einfache, aber wirkungsvolle Methode ist der Einsatz des Wortes «und». Statt einer Einschränkung wird so eine Erweiterung des Gesprächs ermöglicht. Zum Beispiel können Sie statt «Ja, das ist ein guter Vorschlag, aber er ist schwer umsetzbar» sagen: «Ja, das ist ein guter Vorschlag, und wir könnten überlegen, wie wir ihn umsetzbar machen.» Durch das «Und» bleibt der Dialog offen und kooperativ, anstatt in eine Sackgasse zu führen. Eine andere Technik besteht darin, statt zu widersprechen, gezielte Fragen zu stellen, um das Gespräch in eine produktive Richtung zu lenken. So können Missverständnisse und Konflikte vermieden werden, indem man auf eine respektvolle und lösungsorientierte Art kommuniziert (siehe auch «Und» und «oder»: Eine Streitschrift für mehr «und» und weniger «oder»).

Der doppelte Boden des «Aber»

Das «Aber» ist mehr als nur eine Konjunktion; es ist ein rhetorisches und psychologisches Instrument, das es ermöglicht, eine Aussage zu machen und sie gleichzeitig zu relativieren oder gar zu negieren. Es kann Zustimmung vortäuschen, während es in Wirklichkeit einen Widerspruch einleitet. Diese Doppelbödigkeit macht das «Aber» so mächtig und gefährlich zugleich. In der Kommunikation sollte man sich der Wirkung des «Aber» bewusst sein und es gezielt einsetzen – oder eben vermeiden, wenn man ehrlich und direkt sein will.

Karl Popper, einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts, hat einmal gesagt: «Ich mag Unrecht haben, aber ich zweifle, also denke ich.» Hier zeigt sich die konstruktive Seite des «Aber»: Es kann auch zum Nachdenken anregen und den Dialog offen halten. Entscheidend ist, wie es eingesetzt wird – als Werkzeug der Manipulation oder als Einladung zum weiterführenden Gespräch. Popper nutzt das «Aber» nicht zur Relativierung, sondern als Mittel der Reflexion und als Einladung, die eigene Position zu hinterfragen und den Diskurs fortzuführen.

Das «Aber» ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann ein Gespräch bereichern oder es sabotieren, je nach Intention und Kontext. Als solche sollten wir uns seiner Macht bewusst sein und lernen, es mit Bedacht zu verwenden. Nur dann können wir sicherstellen, dass unsere Kommunikation klar, ehrlich und konstruktiv bleibt.