Warum wir die falschen Partner wählen: die verborgenen Muster in der Liebe
Alain de Botton, Gründer der School of Life, bringt in einem seiner neuesten YouTube-Videos eine zentrale Einsicht auf den Punkt: Unser vermeintliches «Pech in der Liebe» ist oft kein Zufall, sondern das Ergebnis tief verwurzelter emotionaler Muster, die auf unsere Kindheit zurückgehen. Diese unbewussten Prägungen bringen uns dazu, PartnerInnen auszuwählen, die uns emotional nicht erfüllen können – oft weil sie uns an die unerreichbaren Elternfiguren unserer frühen Jahre erinnern. Doch es gibt Hoffnung: De Botton zeigt auf, wie wir diese Muster durchbrechen und uns auf gesündere, reife Beziehungen einlassen können, die uns langfristig nähren.
Daniel Frei – Neulich habe ich auf YouTube ein Video der School of Life gesehen, die 2008 vom Philosophen und Autor Alain de Botton gegründet wurde. Die «Schule» widmet sich der Vermittlung emotionaler Intelligenz und unterstützt Menschen auf ihrem Weg der persönlichen Entwicklung. Dabei werden zentrale Themen des Lebens behandelt – von Arbeit und Sinnsuche hin zu Liebe und Beziehungen. In besagtem Video ging es um ein Thema, das, wenn man den Statistiken Glauben schenkt, viele von uns beschäftigt: die Suche nach der «richtigen» Liebe.
Und das Video brachte eine tiefere Einsicht ans Licht – die Vorstellung, dass unser «Pech in der Liebe» kein Zufall ist. Vielmehr spiegeln sich darin oft tief in uns verwurzelte Muster wider, die wir unbewusst aus unserer Vergangenheit übernommen haben. Diese Muster stammen häufig aus unserer Kindheit und prägen die Art und Weise, wie wir PartnerInnen auswählen – oft zu unserem eigenen Unglück.
Doch es gibt Hoffnung: De Botton zeigt im Beitrag auch auf, wie wir diese Muster erkennen, durchbrechen und uns für die Liebe öffnen können, die uns wirklich erfüllt.
Die unsichtbaren Muster unserer Vergangenheit
Alain de Botton führt uns im Video vor Augen, wie sehr unsere frühen Erfahrungen unsere späteren Beziehungen beeinflussen. Wenn wir in unserer Kindheit von einem oder beiden Elternteilen emotional vernachlässigt oder abgelehnt wurden, lernen wir, uns an diese Unerreichbarkeit anzupassen. Dies geschieht meist unbewusst, aber die Auswirkungen sind tiefgreifend. Später suchen wir uns oft PartnerInnen, die uns ähnliche Gefühle der emotionalen Unerreichbarkeit vermitteln – wir wiederholen unsere alten Muster, auch wenn sie uns schaden. Diese Menschen mögen zwar attraktiv und, mindestens anfangs, aufregend erscheinen, bis wir im besten Fall erkennen, dass es die Vertrautheit ihrer emotionalen Distanz ist, die uns anzieht. Und so geraten wir immer wieder in Beziehungen, die uns schmerzlich an unsere frühkindlichen Erfahrungen erinnern.
De Botton erklärt weiter, dass wir als Kinder daher Strategien entwickeln mussten, um mit der emotionalen Unverfügbarkeit unserer Eltern umzugehen. Das Kind stellt sich unbewusst Fragen wie: «Wie kann ich überleben, wenn die Person, die mich eigentlich lieben sollte, emotional nicht verfügbar ist?» Dabei verinnerlichen wir oft eine Form der emotionalen Abstumpfung oder «selektiven Blindheit», um den Schmerz dieser Erfahrung nicht spüren zu müssen. Diese Verdrängung ist in der Kindheit überlebensnotwendig, aber sie kann später zu Problemen in unseren Liebesbeziehungen führen. Die selektive Blindheit, die wir als Schutzmechanismus entwickelt haben, lässt uns auch als Erwachsene PartnerInnen wählen, die uns emotional enttäuschen – einfach weil wir nichts anderes kennen.
Die unbewusste Angst vor erwiderter Liebe
Was de Botton besonders eindringlich vermittelt, ist die Idee, dass wir nicht nur instinktiv PartnerInnen wählen, die uns nicht glücklich machen können, sondern dass wir oft eine tief sitzende Angst vor echter, erwiderter Liebe haben. Der Gedanke, dass jemand uns bedingungslos lieben und wirklich für uns da sein könnte, kann für jene von uns, die sich immer selbst emotional schützen mussten, beängstigend sein. Wenn wir es gewohnt sind, für unsere emotionale Sicherheit selbst sorgen zu müssen, fühlt sich die Vorstellung von bedingungsloser Liebe fremd und vielleicht sogar gefährlich an.
Diese Angst vor Nähe und echter emotionaler Verfügbarkeit macht es uns schwer, gesunde und stabile Beziehungen zu führen. Wir fühlen uns oft zu Menschen hingezogen, die selbst emotional distanziert sind oder uns auf andere Weise emotional nicht das geben können, was wir benötigen. Statt dies als das zu erkennen, was es ist, deuten wir es möglicherweise als «Schicksal» oder «Pech». In Wahrheit wählen wir jedoch diese Art von Beziehungen unbewusst, weil sie uns vertraut sind und wir sie mit «Liebe» verwechseln. Es ist die Angst vor der bedingungslosen Liebe, die uns daran hindert, Menschen zuzulassen, die uns wirklich emotional erfüllen könnten.
Die richtigen Fragen stellen
Um diese schädlichen Muster zu durchbrechen, schlägt de Botton vor, dass wir uns nach den ersten Dates eine Reihe gezielter, ehrlicher Fragen stellen. Diese Fragen helfen uns, uns selbst und die potenzielle Beziehung klarer zu sehen und nicht in alte, destruktive Muster zurückzufallen. Es geht darum, das Potenzial einer Beziehung realistisch einzuschätzen, bevor wir uns emotional weiter einlassen.
Hat diese Person das Potenzial für eine reife, stabile und liebevolle Beziehung?
Diese Frage fordert uns dazu auf, zu prüfen, ob unser Gegenüber emotional reif genug ist, um die Höhen und Tiefen einer Beziehung zu meistern, ohne sich fortlaufend in Dramen oder Rückzug zu verlieren. Viele Menschen sind zwar emotional ansprechend und haben interessante Persönlichkeiten, doch ihnen fehlt die Stabilität und Reife, die eine langfristige Beziehung erfordert.
Kann diese Person mich so unterstützen, wie ich sie unterstütze?
Viele von uns neigen dazu, in Beziehungen mehr zu geben als zu nehmen. Wir übernehmen die Rolle des/der Kümmerers/Kümmerin, doch in einer gesunden Beziehung sollte das Geben und Nehmen ausgeglichen sein. Diese Frage hilft uns zu hinterfragen, ob die emotionale Fürsorge in beide Richtungen fliessen kann oder ob wir wieder in das Muster geraten, mehr Verantwortung zu übernehmen als unser/e PartnerIn.
Wo sehe ich uns in zwei, fünf oder zehn Jahren?
Langfristiges Denken ist entscheidend. Wenn wir uns nicht vorstellen können, mit dieser Person eine gemeinsame Zukunft zu haben, sollten wir uns fragen, ob es sich lohnt, die Beziehung weiterzuverfolgen. Eine Beziehung, die nicht auf einem soliden Fundament aufgebaut ist, wird uns langfristig nicht glücklich machen, egal wie intensiv die Anziehung in den ersten Monaten auch gewesen sein mag.
Kann diese Person Verantwortung übernehmen und auf meine Bedürfnisse eingehen?
Es geht nicht nur darum, ob jemand sexy, charmant, intelligent oder beruflich erfolgreich ist, sondern ob diese Person auch emotional Verantwortung übernehmen kann. Ein/e PartnerIn, der/die seine/ihre Karriere immer über die Beziehung stellt oder nur auf die eigenen Bedürfnisse achtet, wird uns langfristig nicht das geben können, was wir benötigen. Emotionale Reife zeigt sich darin, wie gut jemand in der Lage ist, die Bedürfnisse des/der anderen wahrzunehmen und darauf einzugehen.
Zeichen emotionaler Unreife erkennen
Ein zentraler Punkt des Videos ist das Erkennen von emotionaler Unreife bei potenziellen PartnerInnen. Oft lassen wir uns von oberflächlichen Eigenschaften wie Aussehen, Charme oder beruflichem Erfolg blenden. Doch diese Eigenschaften garantieren nicht, dass jemand in der Lage ist, eine reife und stabile Beziehung zu führen. Es ist wichtig, die emotionalen Kapazitäten einer Person zu hinterfragen und sich dabei nicht von äusseren Reizen täuschen zu lassen.
Emotionale Unverfügbarkeit zeigt sich oft in einem Mangel an echter Präsenz. Wenn eine Person physisch anwesend ist, aber emotional distanziert bleibt, könnte dies ein Zeichen dafür sein, dass sie emotional nicht bereit für eine Beziehung ist. Auch wenn dies nicht immer sofort sichtbar ist, können kleine Hinweise wie emotionale Kälte oder das Vermeiden tiefer Gespräche Anzeichen sein.
Unbeständigkeit in der emotionalen Nähe ist ein weiteres Warnsignal. Wenn ein/e PartnerIn immer wieder zwischen intensiver Nähe und plötzlichem Rückzug schwankt, fehlt oft die emotionale Stabilität, die für eine reife Beziehung notwendig ist. Solche Schwankungen führen häufig zur Unsicherheit und emotionalem Stress.
Selbstbezogenheit ist ebenfalls ein klares Zeichen dafür, dass eine Person bis jetzt nicht bereit ist, die Verantwortung einer Beziehung zu tragen. Eine gesunde Beziehung basiert auf gegenseitigem Geben und Nehmen, doch wenn eine Person immer ihre eigenen Bedürfnisse über die der Beziehung stellt, kann dies langfristig problematisch werden. Dies führt oft dazu, dass die andere Person sich emotional vernachlässigt fühlt.
Den Mut haben, alte Muster zu durchbrechen
Die Erkenntnis, dass wir uns oft unbewusst in unglückliche Beziehungen verwickeln, ist der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung. Doch diese Einsicht alleine reicht nicht aus. Es braucht Mut, sich dieser Wahrheit zu stellen und die alten, vertrauten Muster zu durchbrechen. Dies benötigt nicht nur Selbstreflexion, sondern oft auch professionelle Unterstützung – etwa durch Therapie oder Coaching. Diese Prozesse helfen uns, unsere tief verwurzelten Muster zu erkennen, sie zu hinterfragen und neue, gesündere Wege zu finden, um Liebe zu erfahren.
Alain de Botton fordert uns auf, die Liebe, die wir in unser Leben ziehen, aktiv zu gestalten. Wir sollten lernen, uns selbst genug zu lieben, um uns nicht mehr mit Beziehungen zu begnügen, die uns nicht vollständig erfüllen. Es geht darum, auf eine Partnerschaft zu bestehen, die uns wirklich nährt – statt uns von flüchtiger Aufregung, intensiven Dramen oder bittersüssen Enttäuschungen leiten zu lassen. Dies ist ein Akt der Selbstliebe und der Selbstachtung.
Der Weg zur reifen Liebe
Die richtige Liebe zu finden, ist keine Frage des Zufalls oder des Schicksals – es ist das Ergebnis bewusster Entscheidungen und emotionaler Reife. Indem wir unsere Verhaltensmuster erkennen und uns von alten, destruktiven Mustern lösen, öffnen wir uns für eine Liebe, die uns wirklich erfüllt. Diese Reise erfordert Mut und Geduld, aber am Ende wartet eine tiefere, nachhaltigere Beziehung, die auf echter Nähe, Vertrauen und gegenseitigem Respekt basiert.
Eine reife Liebe ist keine Liebe ohne Konflikte oder Herausforderungen, sondern eine, die diese gemeinsam überwindet. Wenn wir lernen, unsere Bedürfnisse klar zu kommunizieren, unsere PartnerInnen wirklich zu sehen und auf emotionaler Ebene füreinander da zu sein, schaffen wir die Basis für eine Liebe, die nicht nur aufregend, sondern auch beständig ist.
Links
School of Life
Getting better at picking lovers auf YouTube