Die Bedeutung sozialer Unterstützung für Betroffene von CPTSD

Soziale Unterstützung ist eine zentrale Säule im Heilungsprozess von CPTSD. Ob durch Familie, Freund:innen oder Peer-Support-Gruppen – das Gefühl von Verbundenheit und Verständnis fördert die Resilienz und hilft Betroffenen, sich von der Isolation zu lösen.

Soziale Unterstützung ist eine zentrale Säule im Heilungsprozess von CPTSD. Illustration: @yuda.aiii

Soziale Unterstützung ist eine zentrale Säule im Heilungsprozess von CPTSD. Illustration: @yuda.aiii

Daniel Frei – Soziale Unterstützung ist für Menschen mit CPTSD weit mehr als eine nette Geste – sie ist ein zentraler Faktor im Heilungsprozess. Ob durch Freund:innen, Familie, Kolleg:innen oder Peer-Support-Gruppen: Beziehungen können Betroffenen helfen, sich weniger isoliert zu fühlen, neue Perspektiven zu entwickeln und Resilienz aufzubauen.

Warum soziale Unterstützung entscheidend ist

Trauma entfremdet. Viele Menschen mit CPTSD fühlen sich von ihrem Umfeld abgeschnitten, als könnten sie niemandem vertrauen. Genau hier liegt die Bedeutung von sozialer Unterstützung: Sie erlaubt nicht nur Sicherheit, sondern auch, Bindungen wiederherzustellen.

Studien zeigen, dass stabile soziale Netzwerke die Heilung von Traumata fördern. Der Neuropsychologe Dr. Bruce Perry beschreibt soziale Unterstützung als «Regulator des Gehirns», der Stressreaktionen beruhigt und das Gefühl von Sicherheit stärkt. Betroffene, die von Freund:innen oder Familie unterstützt werden, zeigen oft schneller Fortschritte in der Therapie und berichten von weniger intensiven Symptomen.

 

Die Rolle von Freund:innen, Familie und Kolleg:innen

Freund:innen und Familie können ein Anker in der chaotischen Welt von CPTSD sein. Ein einfaches Gespräch, eine Umarmung oder das Mitgefühl eines geliebten Menschen können Betroffene daran erinnern, dass sie nicht allein sind. Kolleg:innen können ebenfalls wichtige Rollen spielen, indem sie Verständnis zeigen und den Arbeitsplatz zu einem sicheren Ort machen.

Doch Unterstützung ist nicht nur emotional. Praktische Hilfe, wie das Begleiten zu einem Arzttermin, das Übernehmen von Alltagsaufgaben oder einfach da zu sein, wenn es schwer wird, kann Betroffenen den Druck nehmen. Wichtig ist dabei, dass Unterstützende nicht versuchen, die Rolle eines Therapeuten zu übernehmen, sondern eine verlässliche Präsenz bieten.

Die Stärke der Gemeinschaft: Selbsthilfegruppen und Peer-Support

Der Austausch mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann eine unschätzbare Ressource sein. Selbsthilfegruppen bieten einen sicheren Raum, um offen über Ängste und Herausforderungen zu sprechen, ohne sich verurteilt zu fühlen.

Ein Mitglied einer Peer-Support-Gruppe beschreibt: «Zum ersten Mal fühlte ich mich verstanden. Es war, als würde jemand meine Sprache sprechen.» Diese Verbindung schafft nicht nur Verständnis, sondern fördert auch das Gefühl von Gemeinschaft und Verbundenheit. 

Virtuelle Gruppen erlauben zusätzlich, sich unabhängig vom Wohnort auszutauschen. Plattformen wie Foren oder spezialisierte soziale Netzwerke bieten Zugang zu einer globalen Gemeinschaft. Lokale Gruppen hingegen fördern den direkten Kontakt und können das Gefühl von Isolation noch stärker reduzieren. Beide Formate haben ihre Vorteile – die Wahl hängt von den individuellen Bedürfnissen ab.

Unterstützung durch Menschen ohne Fachausbildung

Nicht-Fachleute – ob Partner:innen, Freund:innen oder Kolleg:innen – spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Betroffene im Alltag zu begleiten. Doch sie stehen oft vor der Herausforderung, wie sie helfen können, ohne sich selbst zu überfordern.

Ein erster Schritt ist, Grundwissen über CPTSD zu erlangen. Wer versteht, was Trigger oder Flashbacks auslösen, kann besser darauf reagieren. Zum Beispiel: Statt eine Betroffene zu drängen, über ihre Gefühle zu sprechen, hilft es oft mehr, einfach zuzuhören oder einen sicheren Raum zu bieten.

Es ist wichtig, Mitgefühl, statt Mitleid zu zeigen. Mitgefühl bedeutet, präsent zu sein und die Erfahrungen der Betroffenen anzuerkennen, ohne sie als hilflos darzustellen. Mitleid hingegen verstärkt oft das Gefühl von Isolation und Ohnmacht.

Unterstützende sollten auch ihre eigenen Grenzen kennen und wahren. Es ist in Ordnung, nicht immer verfügbar zu sein oder sich selbst Auszeiten zu nehmen. Nur wer sich selbst gut umsorgt, kann langfristig für andere da sein.

Schutz vor Isolation: Die Essenz von Gemeinschaft

Isolation ist einer der grössten Risikofaktoren für Menschen mit CPTSD. Ein stabiles Netzwerk – ob es aus Freund:innen, Familie oder einer unterstützenden Gemeinschaft besteht – ist essenziell, um dieser Gefahr zu begegnen.

Gemeinschaft bietet nicht nur Sicherheit, sondern auch die Möglichkeit, neue soziale Fähigkeiten zu entwickeln, Vertrauen wieder aufzubauen und sich selbst in einem neuen Licht zu sehen. Soziale Unterstützung ist nicht der einzige Schlüssel zur Heilung, aber sie ist ein wesentlicher Baustein, der den Weg dorthin erleichtert.

Die Kraft der Verbindung

Soziale Unterstützung ist für Menschen mit CPTSD kein Luxus, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil der Heilung. Ob durch Freund:innen, Familie, Kolleg:innen oder Peer-Support-Gruppen – jede Form der Verbindung bietet eine Chance, sich weniger allein zu fühlen und neue Kraft zu schöpfen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Unterstützende sich selbst nicht überfordern und ein Gleichgewicht zwischen Hilfe und Selbstfürsorge finden.

Quellen

•                Perry, B. (2006). The Boy Who Was Raised as a Dog: And Other Stories from a Child Psychiatrist’s Notebook.

•                Van der Kolk, B. (2014). The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma.

•                Herman, J. (1992). Trauma and Recovery: The Aftermath of Violence–From Domestic Abuse to Political Terror.