Digitale Selbsthilfe und soziale Medien: Chancen und Herausforderungen für Betroffene von CPTSD
Das Internet bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten für Menschen mit CPTSD, Unterstützung zu finden. Digitale Selbsthilfeangebote und Online-Communities können einen sicheren Raum für Austausch und Verbundenheit schaffen. Doch welche Chancen bieten diese Plattformen, welche Risiken gibt es, und wie können Betroffene das Beste aus den digitalen Angeboten herausholen?
Daniel Frei – Für viele Menschen mit CPTSD sind soziale Medien und digitale Selbsthilfeangebote zu einem wichtigen Teil ihres Heilungsprozesses geworden. Plattformen wie spezielle Foren, Facebook-Gruppen oder Discord-Communities bieten nicht nur Zugang zu Informationen, sondern auch die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen – oft anonym und ohne geografische Einschränkungen.
Eine Betroffene beschreibt, wie sie in einer schwierigen Phase durch eine Online-Gruppe Unterstützung fand: «Ich hatte das Gefühl, endlich verstanden zu werden. Niemand hat mich verurteilt, und ich konnte offen über meine Ängste sprechen.» Solche Räume ermöglichen es Betroffenen, ihre Erfahrungen zu teilen, ohne sich in ihrem direkten sozialen Umfeld exponieren zu müssen.
Die Stärke digitaler Gemeinschaften
Online-Communities bieten einzigartige Vorteile für Menschen mit CPTSD. Sie schaffen ein Netzwerk, das rund um die Uhr verfügbar ist. Besonders in Momenten der Einsamkeit oder Überforderung kann der Austausch mit anderen Betroffenen Trost spenden und das Gefühl von Isolation reduzieren.
Ferner fördern digitale Plattformen die Selbstwirksamkeit. Viele Communities teilen praktische Tipps und Ressourcen, wie z. B. Empfehlungen für Bücher, Apps oder Therapietechniken. Durch diesen Wissensaustausch können Betroffene aktiv an ihrem Heilungsprozess teilnehmen.
Plattformen wie Reddit bieten spezialisierte Untergruppen, in denen spezifische Themen, wie Trigger-Management oder Resilienzstrategien, diskutiert werden. Gleichzeitig ermöglichen Plattformen wie Instagram oder YouTube Zugang zu Fachwissen durch Therapeut:innen und Coaches, die Inhalte aufbereiten, die leicht verständlich sind.
Herausforderungen der digitalen Welt
Trotz aller Vorteile birgt die digitale Welt auch Risiken. Der häufige Konsum von Inhalten über Trauma kann überwältigend sein und Betroffene retraumatisieren, wenn nicht sensibel damit umgegangen wird.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Qualitätskontrolle: Nicht alle Informationen oder Ratschläge, die online geteilt werden, sind wissenschaftlich fundiert. Falschinformationen oder übergriffige Meinungen können den Heilungsprozess beeinträchtigen.
Auch die Dynamik in Online-Gruppen kann herausfordernd sein. Manche Diskussionen eskalieren, und der Austausch kann belastender als unterstützend wirken. Deshalb ist es wichtig, die richtige Balance zu finden und zu wissen, wann es Zeit ist, sich zurückzuziehen.
Empfehlungen für den Umgang mit digitalen Angeboten
Sorgfältige Auswahl der Plattformen: Suchen Sie nach Communities, die von Fachpersonen moderiert werden oder klar formulierte Regeln für respektvollen Umgang haben. Plattformen wie Trauma Recovery Reddit oder spezialisierte Facebook-Gruppen bieten oft strukturierte und unterstützende Umfelder.
Zeitliche Begrenzung: Der Konsum von Inhalten über Trauma sollte bewusst dosiert werden. Planen Sie feste Zeiten ein, um sich in digitalen Räumen zu bewegen, und legen Sie ebenso bewusst Pausen ein.
Kritischer Umgang mit Informationen: Nicht alles, was online geteilt wird, ist korrekt oder hilfreich. Vertrauen Sie auf seriöse Quellen, wie Artikel von Fachpersonen, und überprüfen Sie Informationen, bevor Sie sie anwenden.
Bewusste Nutzung sozialer Medien: Nutzen Sie Funktionen wie das Stummschalten oder Entfolgen, um sich vor belastenden Inhalten zu schützen. Gleichzeitig können inspirierende oder ermutigende Profile dabei helfen, positive Impulse zu setzen.
Die Zukunft der digitalen Selbsthilfe
Die digitale Welt entwickelt sich ständig weiter. Apps, die speziell auf Trauma und CPTSD ausgerichtet sind, wie z. B. Calm oder Insight Timer, bieten geführte Meditationen, Atemübungen und weitere Tools, die leicht in den Alltag integriert werden können. Auch virtuelle Selbsthilfegruppen, die per Videokonferenz stattfinden, schaffen neue Möglichkeiten für Verbindung und Austausch.
Es ist zu erwarten, dass die Integration von künstlicher Intelligenz und interaktiven Technologien in Zukunft noch individuellere Unterstützungsangebote ermöglichen wird. Wichtig bleibt jedoch, dass diese Angebote als Ergänzung zu traditionellen Therapieformen betrachtet werden sollten, nicht als Ersatz.
Quellen
Van der Kolk, B. (2014). The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma.
Trauma Recovery on Reddit (r/traumarecovery).
Kabat-Zinn, J. (1990). Full Catastrophe Living: Using the Wisdom of Your Body and Mind to Face Stress, Pain, and Illness.