Weniger Sponsoring, mehr Stolz – warum Zürich Pride 2025 gerade jetzt zählt
Der Zürich Pride fehlen dieses Jahr 150’000 Franken, weil Unternehmen wie Swisscom und Mini ihr Engagement überdenken – und Gilead es reduziert. Keine Katastrophe. Es ist eine Einladung. Eine Einladung, die Pride neu zu denken – jenseits von Corporate Identity, zurück zu queerem Mut, politischem Widerstand und menschlicher Nähe. Vielleicht ist es gut, dass nicht mehr jedes Logo mitmarschiert. Denn Stolz lässt sich nicht kaufen – aber leben.
Weniger Sponsoring, mehr Stolz – warum Zürich Pride 2025 gerade jetzt zählt. Illustration: Daniel Frei
Daniel Frei - 150’000 Franken fehlen: Die Zahlen sind klar – aber nicht alarmierend. Ein Fünftel des Budgets. Der Hauptsponsor Gilead hat sein Engagement reduziert, Mini ist nicht mehr dabei, und die Swisscom – bislang offizieller Co-Partner – ist ausgestiegen. Und doch: Die Zürich Pride findet statt. Der Eintritt bleibt frei. Die Bühne steht. Die Sicherheit ist gewährleistet. Es wird gespart bei Zelten, Acts und Technik – nicht bei der Haltung.
Ronny Tschanz und Canan Uguroglu, Co-Präsidium der Zürich Pride, nennen zwei Gründe für die Sponsorenlücke: wirtschaftlicher Druck und politischer Rückzug. Besonders US-Firmen treten bei LGBTQ-Engagements auf die Bremse – getrieben von den kulturellen Verschiebungen unter Donald Trump und einem Klima, in dem Diversity-Programme plötzlich als Risiko gelten.
Wenn Firmen zögern, darf die Gesellschaft nicht schweigen
300’000 Dollar weniger in San Francisco, 750’000 fehlen in New York. und in Berlin ist kein einziger US-Sponsor mehr dabei. Auch in Zürich zeigen sich erste Symptome dieser Entwicklung. Swisscom verabschiedet sich mit der Formulierung, man überprüfe alle Sponsoring-Engagements. Das Logo bleibt bunt, das Budget verschwindet. Ein symbolischer Akt – oder ein Symptom?
Und doch: Gerade darin liegt eine Chance. Vielleicht ist es Zeit, dass die Pride nicht länger das Schaufenster für Corporate Branding ist. Vielleicht ist es Zeit, dass wir aufhören, Vielfalt als Marketingmassnahme zu betrachten – und beginnen, sie als gesellschaftliche Haltung zu leben.
Die Pride war nie bloss ein Event
Was heute vielerorts wirkt wie ein Stadtfest, begann als Protest. Stonewall war kein Konzert. Es war ein Aufstand gegen systematische Polizeigewalt, gegen Unsichtbarkeit, gegen das erdrückende Normativ. Die ersten Prides waren politische Statements – nicht durchdesignt, nicht mediengetrimmt, nicht fotofreundlich. Sondern notwendig.
Und vielleicht ist genau das verloren gegangen: die Notwendigkeit. Zu viele Logos, zu viele Gimmicks, zu wenig Wut, zu wenig Wehmut, zu wenig Herz. Das Sponsoring wurde zur Krücke, auf der sich eine Bewegung langsam zu einer konsumierbaren Inszenierung wandelte.
Der Rückzug der Firmen ist kein Versagen. Er ist ein Weckruf.
Sichtbarkeit ist kein Geschäftsmodell
Wenn Vielfalt sich rechnen muss, verliert sie ihre Substanz. Wenn Identität zur Imagepflege wird, ist sie in Gefahr, zur Karikatur zu verkommen. Pride darf nicht davon abhängen, ob ein Unternehmen im Juni genug Platz im Budget und im Herzen findet, um sich bunt zu geben. Pride muss bleiben – auch wenn’s nichts bringt.
Gerade weil Sponsoren abspringen, ist jetzt die Zeit, solidarisch zu werden. Der Rückhalt muss aus der Bevölkerung kommen, aus der Stadt, aus der Community. Spenden statt Kampagnen. Beziehungen statt Bühnen. Nähe statt Branding.
Zürich Pride 2025 als Experiment – und als Erinnerung
Dass der Anlass dieses Jahr stattfindet – trotz Einbussen – ist ein Versprechen. Und ein Signal. Es geht. Es geht mit weniger Geld. Es geht mit mehr Kreativität. Es geht mit Mut. Zürich Pride 2025 kann der Anfang einer Bewegung sein, die sich wieder auf das Wesentliche besinnt: auf Zugehörigkeit, Sichtbarkeit, Wertschätzung, Sicherheit.
Vielleicht wird es kleiner. Vielleicht ruhiger. Vielleicht weniger fotogen. Aber vielleicht wird es echter. Und das wäre nicht der Anfang vom Ende – sondern der Anfang von etwas Neuem.
Pride ist kein Lifestyleprodukt. Keine Sponsoring-Kategorie. Kein Auftritt für Brands, die sich einmal im Jahr progressiv inszenieren. Pride ist Erinnerung. Widerstand. Sichtbarkeit. Menschlichkeit.
Und vielleicht ist gerade 2025 das Jahr, in dem wir alle – queere Menschen und Verbündete – zeigen können: Wir brauchen keine Logos, um stolz zu sein. Wir brauchen einander.
Stolz ist keine Kampagne. Stolz ist eine Haltung. Und Haltung kostet nichts – und bedeutet alles.