Alle für eine*n? – Warum kleine Teams nicht den Chef bedienen müssen
In Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitenden dreht sich oft alles um die oder den Chef: Mails vorsortieren, Präsentationen gestalten, Termine organisieren, Ideen validieren, Aufträge und Bitten abarbeiten. Aber diese Chefzentrierung ist nicht naturgegeben, sondern ein Symptom. Und vor allem: ein Bremsklotz für Eigenverantwortung, Kreativität und Wirksamkeit der Mitarbeitenden. Eine Absage an das Hofstaat-Prinzip – und ein Plädoyer für Kooperation.
Chefzentrierung: ein Bremsklotz für Eigenverantwortung, Kreativität und Wirksamkeit der Mitarbeitenden. Fotografie: Daniel Frei
Daniel Frei – Wer ein Unternehmen mit 15 oder 20 Leuten betritt, spürt ihn oft sofort – diesen unsichtbaren Thron, auf dem jemand sitzt, der alles entscheidet. Jede Idee muss «mit dem Chef angeschaut» werden. Jeder Pitch wird nach oben abgesegnet. Selbst kleine Details – von der Schriftgrösse bis zum LinkedIn-Post – gehen durch eine zentrale Instanz. Offiziell nennen wir das flache Hierarchien. Inoffiziell: Chef-Hörigkeit.
Das mag effizient wirken – ist es aber seltenst. Denn je mehr alle auf den Chef warten, desto weniger entsteht von selbst. Und desto mehr wird Führung zum Flaschenhals, nicht zur Befähigung.
Der Mythos vom visionären Zentrum
Viele KMU-Chefs verstehen sich als Leuchtturm. Sie wissen, wohin’s geht. Sie haben das Unternehmen aufgebaut, tragen Verantwortung, haben Überblick. Und ja – sie sind oft wirklich gut. Aber gute Führung erkennt man nicht daran, wie viel sie entscheidet. Sondern daran, wie viel sie anderen zutraut.
Die Idee, dass ohne Chef alles im Chaos endet, ist ein alter Mythos. In Wahrheit endet vieles im Chaos, weil der Chef alles kontrollieren will. Wer jeden Tag Entscheidungen fällt, die andere längst hätten treffen können, brennt nicht nur aus – er verhindert Entwicklung.
Warum sich Teams zu Assistenten degradieren
Was auf den ersten Blick wie Engagement aussieht («Ich frage lieber noch kurz nach …»), ist oft ein erlerntes Schutzverhalten. Wer erlebt hat, dass Ideen zerpflückt, Zeitpläne verschoben oder eigene Entscheidungen übersteuert werden, lernt schnell: Lieber absichern. Lieber anpassen. Lieber nichts riskieren.
So entsteht eine Unternehmenskultur, in der sich alle um die Führungskraft gruppieren wie Planeten um eine Sonne. Ein System, das perfekt darin ist, sich selbst zu stabilisieren – und schlecht darin, sich selbst zu erneuern.
Was stattdessen möglich ist
Ein Team von 20 Leuten kann ein kleines Ökosystem sein: autark, lernfähig, dezentral. Wer Aufgaben, Verantwortung und Wissen teilt, kann schneller handeln, offener sprechen, gründlicher lernen. Statt eine Chefin, die alles weiss, braucht es dann eine, die loslassen kann. Und ein Team, das gelernt hat, den Raum zu füllen.
Das heisst nicht: Anarchie. Es heisst: Vertrauen in Systeme, nicht nur in Personen. Rollen statt Rückfragen. Klarheit statt Kontrolle.
Führung als Infrastruktur, nicht als Zentrum
Die beste Führung ist nicht sichtbar. Sie schafft Räume, gibt Richtung, schützt. Sie ist wie ein guter Hosting-Service: präsent, aber unaufdringlich. Funktionierend im Hintergrund.
Auch in Unternehmen mit bis zu 20 Personen ist es möglich, diese Art von Infrastruktur aufzubauen – nicht trotz der Grösse, sondern gerade deshalb. Kleine Teams haben kurze Wege, wenig Bürokratie, hohe Flexibilität. Aber sie brauchen Klarheit: Welche Entscheidungen trifft wer? Wo darf improvisiert werden? Was ist genug gut?
Der Chef ist kein Projekt
Wenn alle für den Chef arbeiten, bleibt das eigentliche Geschäft liegen. Und die Mitarbeitenden? Werden zu Spiegeln einer einzigen Perspektive. Wer das erkennt, kann beginnen, das Unternehmen umzubauen – weg vom Personal-Assistant-Modus, hin zu echter Selbstwirksamkeit.
Wer sich nicht mehr fragt, was der Chef dazu sagt, sondern was das Unternehmen braucht, handelt nicht illoyal. Sondern reif.
The Empty Leader
Räume statt Rezepte
«The Empty Leader» ist ein Raum aus 50 Thesen – und ein Retreat in den Bergen, wo wir diese Räume betreten.
Nicht, um alles zu klären. Sondern um klarer zu sehen, was ungeklärt bleiben darf.
Wenn Sie spüren, dass Führung mehr sein kann als Zuständigkeit, mehr Bewegung als Besitz – dann folgen Sie dem Ruf und entdecken Sie den ganzen Weg:
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The Empty Leader
50 Thesen, Essays
danielfrei.ch/empty-leader
Retreat
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