Daten teilen heisst Wasser teilen: über Flüsse, Server und Verantwortung.
Die Cloud ist nicht schwerelos. Sie rauscht. Durch Bäche, Flüsse, Turbinen und Kühlkreisläufe. Was als saubere Zukunftstechnologie begann, verschlingt heute Strom und Wasser in grossen Mengen. Schweizer Rechenzentren werden zu den neuen Wasserkraftwerken. Nur, dass sie nicht Energie erzeugen, sondern verbrauchen. Und während die Gletscher schmelzen, fliesst der Datenstrom ungebremst weiter. Wer über Digitalisierung spricht, muss auch über Wasser sprechen.
Die Cloud ist nicht schwerelos. Sie rauscht. Durch Bäche, Flüsse, Turbinen und Kühlkreisläufe. Fotografie: Daniel Frei
Daniel Frei – Der Fluss. Das Wasser fliesst. Es kühlt, treibt, speist. Es bewegt Turbinen, versorgt Städte, löscht Durst und kühlt auch Server. Rund 60 Prozent des inländischen Stroms stammen in der Schweiz aus Wasserkraft. Was einst als Symbol für Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit galt, wird heute zur Lebensader der Digitalisierung. Denn ohne Strom keine Cloud, ohne Kühlung kein Denken.
In den Rechenzentren rund um Zürich, Bern, Genf und Lupfig arbeitet ein unsichtbares Nervensystem. Es speichert und verarbeitet jene Datenströme, die das moderne Leben antreiben: von der Steuererklärung bis zur künstlichen Intelligenz. Und diese Intelligenz braucht Wasser: zur Kühlung, zur Stromproduktion, zum Funktionieren.
Schätzungen zufolge verbrauchen Schweizer Rechenzentren bereits heute zwischen drei und fünf Prozent des nationalen Stroms. Bis 2030 könnte sich dieser Anteil nochmals erhöhen. Die Nachfrage nach Wasser folgt diesem Trend. Denn je effizienter Chips rechnen, desto sensibler reagieren sie auf Hitze.
Die Reibung
Der Konflikt ist schleichend. Aber da. Wasserkraftwerke und Serverparks greifen auf dieselben Ressourcen zu – Flüsse, Zuflüsse, Kühlwasserleitungen. In Lupfig betreibt das Unternehmen Green Datacenter eines der grössten Rechenzentren der Schweiz. Das Kühlwasser stammt aus einem geschlossenen Kreislauf. Ein Teil der Abwärme wird in ein Fernwärmenetz eingespeist. Doch die Regel ist das nicht.
Viele kleinere Anlagen, die in Industriegebieten oder in der Nähe von Hochspannungsleitungen entstehen, geben ihre Wärme einfach an die Luft ab. Und wenn die Temperaturen steigen, greifen sie auf Trinkwasser oder Grundwasser zurück. Legal, aber ökologisch fragwürdig.
Das Bundesamt für Energie weiss um die Problematik. In mehreren Kantonen, etwa Zürich, Aargau und Bern, laufen Projekte, um die Abwärmenutzung zur Pflicht zu machen. Und die Energiegesetzrevision 2025 sieht vor, dass neue Grossanlagen künftig ihren Wasserverbrauch offenlegen.
Denn das, was im Digitalen unsichtbar scheint, ist in der physischen Welt spürbar: jede Suchanfrage, jede Bildgenerierung, jeder Block in der Blockchain zieht Wasser nach sich.
Die Verantwortung
Die internationale Kennzahl WUE (Water Usage Effectiveness) zeigt, wie viel Wasser pro Kilowattstunde Rechenleistung benötigt wird. Ein niedriger Wert gilt als effizient. Ein hoher als verschwenderisch. Doch kaum eine Betreiberin legt ihre Werte offen. Transparenz ist freiwillig.
Dabei wäre sie entscheidend. Laut Schätzungen der International Water Association verbraucht ein grosses Rechenzentrum (20 MW) bei Verdunstungskühlung bis zu 200 Mio. Liter Wasser/Jahr. Vergleichbar mit dem Trinkwasserbedarf von schätzungsweise 3’500 Personen.
Die Schweiz ist zwar wasserreich, aber die Gletscher schmelzen. 2022 war das trockenste Jahr seit Messbeginn, 2023 kaum besser. Wenn künftig Wasser knapp wird, müssen Prioritäten gesetzt werden: Trinkwasser, Landwirtschaft, Energie, Industrie oder Daten?
In Trockenphasen, so warnen Kantone wie Wallis oder Graubünden, könnten Kühlwasserentnahmen beschränkt werden. Was dann? Server drosseln, KI pausieren, Streaming stoppen? Die Vorstellung ist absurd und realistisch.
Der Nachhall
Zürich plant, die Abwärme seiner Rechenzentren künftig ins Fernwärmenetz einzuspeisen. Lausanne testet Speicherlösungen mit Seewasser. Bern prüft Auflagen für neue Standorte. All das sind erste Schritte. Und sie reichen noch nicht. Die Digitalisierung bleibt physisch. Sie braucht Strom, Metalle, Menschen und Wasser.
Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der Energie, sondern auch der Intelligenz. Der ökologischen Intelligenz. Wenn wir Daten teilen, teilen wir Wasser. Und auch Verantwortung. Das Wasser, das die Cloud kühlt, gehört uns allen. Wer das vergisst, wird durstig werden.