Liebe, was Du tust und tue, was Du liebst – Ideal, Weg, Ziel, Philosophie oder Floskel?
Dieser Satz klingt nach Social-Media-Weisheit. Aber wirklich fordert er uns auf, über unsere Erfüllung, unseren Sinn nachzudenken. Zwischen Aristoteles’ Berufungsideal und buddhistischer Gegenwärtigkeit geht es um die Balance: Akzeptanz im Tun und Mut, dem zu folgen, was wir lieben. Keine einfache Glücksformel, sondern eine Einladung zur bewussten Lebensgestaltung – ganz im Sinne Thich Nhat Hanhs: «Achtsamkeit macht jeden Moment aussergewöhnlich.»
Daniel Frei – «Liebe, was Du tust und tue, was Du liebst» mag erst einmal wie eine abgedroschene Influencer und Creator-Weisheit auf jedem beliebigen Social-Media-Kanal klingen. Aber es birgt eine faszinierende Herausforderung: Was meint und bedeutet es, das zu lieben, was man tut, und das zu tun, was man liebt? Ist es ein Ideal, ein Weg, ein Ziel, eine Lebensphilosophie? Dieser Satz fordert uns auf, über unsere Arbeit, unsere Leidenschaften, unsere Existenz, unser Sein und Wirken und unseren Sinn fürs und des Lebens nachzudenken.
Von Aristoteles, der meinte, «Wo Deine Talente und die Bedürfnisse der Welt sich kreuzen, dort liegt Deine Berufung» (heute gerne auch mit der japanischen Idee des «Ikigai» gleichgesetzt) bis zum Buddhismus, der uns lehrt, dass das Glück im gegenwärtigen Moment zu finden, geht es letztlich um eine Balance zwischen unserer inneren Erfüllung und unserem äusserem Beitrag.
Was bedeutet es, zu lieben, was man tut?
Zu lieben, was man tut, verlangt eine Haltung der Akzeptanz und des Engagements. Buddhisten sprechen hier von «samma vayama», dem rechten Bemühen. Es bedeutet, sich mit dem auseinanderzusetzen, was das Leben uns in diesem Moment bietet, und das Beste daraus zu machen.
Doch können wir immer lieben, was wir tun? Ein:e Lehrer:in, die mit einer schwierigen Klasse zu kämpfen hat, oder ein:e Kellner:in, der von unhöflichen Gästen umgeben ist, würde das wohl hinterfragen. Auftritt Marcus Aurelius: «Du hast Macht über Deinen Geist – nicht über äussere Ereignisse. Erkenne dies, und Du wirst Stärke finden.» Vielleicht liegt die Kunst also darin, nicht die Aufgabe selbst zu lieben, sondern den Sinn, den wir ihr verleihen, der diese uns verleiht.
Was heisst es, das zu tun, was man liebt?
Die andere Seite dieses Satzes ist ebenso komplex. Was bedeutet es, das zu tun, was man liebt? Leidenschaft allein reicht oft nicht. Liebe zu einer Tätigkeit muss sich mit unserer Realität des Lebens verbinden. Joseph Campbell rät darum: «Follow your bliss.» Doch er betont auch, dass es Mut benötigt, dieser Wonne zu folgen.
Hier stellt sich eine entscheidende Frage: Was lieben wir wirklich? Die Antwort darauf mag oft genug verschüttet sein unter Erwartungen, sozialen Normen und Ängsten. Der Buddhismus erinnert uns daran, dass wahres Glück nicht von äusseren Bedingungen abhängt. Was wir lieben, ist oft weniger eine Tätigkeit als der Zustand, den sie in uns hervorruft – sei es Kreativität, Ruhe oder Verbindung.
Die Herausforderung der Balance
Die wahre Herausforderung liegt also möglicherweise darin, beide Aspekte dieses Satzes zu vereinen: zu lieben, was man tut, und zu tun, was man liebt. Oft scheitern wir an dieser Dualität, zugegeben. Der Dalai Lama sagt dazu: «Glück entsteht, wenn, was Du denkst, was Du sagst, und was Du tust, in Harmonie sind.», übereinstimmen.
Diese Harmonie ist aber keine statische Errungenschaft, sondern ein dynamischer Prozess. Halten wir immer wieder inne und uns fragen: Bin ich auf meinem Weg? Fühle ich Erfüllung oder lediglich Pflichtgefühl?
Die Tücken der «Passion Economy» von Influencern, Creators und anderen Heilsversprecher:innen
In unserer medialisierten Welt wird uns suggeriert, dass wir unsere Leidenschaft monetarisieren sollen – ein Trend, der als «Passion Economy» bezeichnet wird. Ein Hobby zum Beruf machen? Klingt traumhaft, bis man merkt, dass man Rechnungen schreiben, Geld eintreiben und sich bewerben und verkaufen muss, statt einfach Spass zu haben.
Oscar Wilde hätte vermutlich gesagt: «Die besten Dinge im Leben sind die, die man nicht für Geld tut.» Vielleicht sollten wir also auch ein wenig Abstand von der Idee nehmen, dass Arbeit immer Liebe sein muss. Ein bisschen Alltagsfrust ist schliesslich auch ein Zeichen dafür, dass wir lebendig sind, Grenzen haben, Mensch sind.
Eine Einladung zur bewussten Lebensgestaltung
«Liebe, was Du tust und tue, was Du liebst» ist keine einfache Anleitung zum Glück, sondern eine Einladung, unser Leben bewusst zu gestalten. Es erinnert uns daran, dass Liebe – sei es für eine Tätigkeit, eine Person, ein Tier, eine Pflanze und alles dazwischen, darüber, darunter und daneben, das pure und rohe Leben selbst – ein aktiver Prozess ist.
Wie der Zen-Meister Thich Nhat Hanh sagt: «Wenn wir achtsam sind, verwandeln wir gewöhnliche Momente in aussergewöhnliche. Dann spielt es keine Rolle, was wir tun – wir tun es aus Liebe.»
Quellen
Aristoteles, Nikomachische Ethik
Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen
Joseph Campbell, The Power of Myth
Dalai Lama, Die Regeln des Glücks
Thich Nhat Hanh, Frieden mit sich selbst
Oscar Wilde, Aphorismen und Zitate