Grosse Schatten grosser Männer – und was die Zukunft wirklich braucht

Der Kommunikationsberater a.D. Klaus Stöhlker würdigt in seinem Beitrag auf Inside Paradeplatz Sepp Blatter und Klaus Schwab als visionäre Figuren, die ihrer Zeit voraus gewesen seien. Doch was bleibt von dieser Ära wirklich zurück? Ein nüchterner Blick auf Macht, Narzissmus und die Führungskultur von gestern – und ein Plädoyer für ein neues, gemeinschaftlicheres Verständnis von Führung.

Ein nüchterner Blick auf Macht, Narzissmus und die Führungskultur von gestern – und ein Plädoyer für ein neues, gemeinschaftlicheres Verständnis von Führung. Fotografie: Daniel Frei

Ein nüchterner Blick auf Macht, Narzissmus und die Führungskultur von gestern – und ein Plädoyer für ein neues, gemeinschaftlicheres Verständnis von Führung. Fotografie: Daniel Frei

Daniel Frei – Zweifellos, Sepp Blatter und Klaus Schwab haben Weltgeschichte geschrieben – auf ihre Weise. Sie prägten Institutionen, bewegten Milliarden und versammelten die Mächtigen um sich. Das verlangt eine gewisse Brillanz. Doch diese Brillanz war selten selbstlos. Und sie leuchtete oft greller als guttat – ihnen selbst wie den Organisationen, die sie führten.

Was in Stöhlkers Ode an die «grossen Persönlichkeiten» fast untergeht: Ihr Führungsstil war geprägt von Hierarchie, Loyalitätskult und der tiefen Überzeugung, dass das System um sie selbst kreist. Aber genau dieses Modell wird zunehmend zum Problem.

Machtmenschen im Maschinenraum

Blatter, der Patron aus dem Wallis, verstand es wie kaum ein anderer, Netzwerke zu weben – oft so dicht, dass kein frischer Wind mehr hindurchkam. Was als Vision begann, wurde über die Jahre zum geschlossenen Kreislauf gegenseitiger Absicherung. Die FIFA wurde gross – und unantastbar. Bis sie platzte.

Klaus Schwab, der Intellektuelle unter den Granden, wollte Ordnung ins Weltchaos bringen. Doch sein WEF geriet selbst immer mehr zur Bühne für Eitelkeit, nicht für Lösungen. Das Vertrauen in den «Davos Man» schmolz dahin, je mehr man erkannte, wie exklusiv diese Inklusivität eigentlich war.

Beide Männer waren keine Scharlatane. Aber sie waren – wie so viele ihrer Generation – überzeugt davon, dass Führung bedeutet: alles zu wissen, alles zu steuern, alles zu gestalten. Kritik prallte ab. Wer widersprach, stand schnell am Rand.

Wenn Visionäre blind werden

Die Kehrseite solcher dominanten Führung: Die Organisationen tragen tiefe Risse davon. Menschen, die einst motiviert kamen, wurden zermürbt. Talente verliessen das System. Vertrauen wurde gegen Kontrolle getauscht. Und dort, wo man es nicht mehr wagte, Widerspruch zu äussern, konnte Innovation nicht gedeihen.

Heute kämpfen die FIFA wie das WEF nicht nur mit Skandalen, sondern mit dem grundsätzlichen Zweifel an ihrer Relevanz. Das ist keine Schande – es ist eine Folge. Eine Folge eines Stils, der Macht hätschelt und Selbstreflexion meidet. Wer immer nur von oben führt, verliert später die Verbindung zum Boden.

Neue Zeit, neue Führung

Was wir brauchen, ist kein Denkmal für die alte Garde. Sondern eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten, die zuhören, Fehler eingestehen und Macht teilen. Die Menschlichkeit höher gewichtet als Inszenierung. Die nicht Weltveränderung verkünden, sondern den Alltag konkret verbessern.

Nicht jede Person muss heldenhaft sein. Aber jeder Mensch in Verantwortung sollte wissen, dass Macht nicht stärkt, wenn sie nicht auch geteilt wird. Echte Grösse zeigt sich nicht im Applaus, sondern im Umgang mit Kritik. Und vielleicht beginnt die neue Führung genau dort, wo die alte ihre grösste Schwäche hatte: bei der Fähigkeit, auch sich selbst infrage zu stellen.

Klaus Stöhlker nennt es in seinem Beitrag «Schüsse aus dem Hinterhalt». Vielleicht aber sind es eher Spiegel, die man vorhält. Wer auf dem Podium sitzt, sollte sich nicht wundern, wenn man ihn anschaut – kritisch, respektvoll und mit einem Augenzwinkern.

Zum Beitrag FIFA explodiert, WEF taumelt von Klaus Stöhlker auf Inside Paradeplatz.