Was, wenn keiner genügt? Ein Essay über die stille Angst vor der Übergabe – und den Mut, das Unvollkommene zuzulassen
In der Theorie ist Nachfolge planbar. In der Praxis ist sie ein Minenfeld aus Erwartungen, Unsicherheiten und vergrabenen Emotionen. Besonders dann, wenn der oder die «Richtige» einfach nicht auftaucht. Oder – schlimmer noch – wenn alle Kandidatinnen und Kandidaten «gut», aber niemand «genug» erscheint. Was tun, wenn niemand passt? Wenn niemand das Gefühl gibt: Jetzt kann ich loslassen?
Was, wenn keiner genügt? Ein Essay über die stille Angst vor der Übergabe – und den Mut, das Unvollkommene zuzulassen. Fotografie: Daniel Frei
Daniel Frei – Wer ein Unternehmen aufgebaut hat, hat nicht einfach ein Geschäft geschaffen – sondern einen Teil seiner Identität. Die Idee, dieses Lebenswerk jemandem zu übergeben, ist nicht nur ein organisatorischer, sondern ein existenzieller Akt. Es geht nicht nur darum, eine Rolle abzugeben, sondern einen Teil von sich selbst. Wenn dann niemand da ist, der oder die «passt», entsteht nicht nur eine betriebliche Unsicherheit. Sondern ein Gefühl von Leere, von Scheitern – ja, von Verrat an der eigenen Geschichte.
Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sprechen nicht darüber. Sie sagen, sie seien «noch nicht so weit», «es gebe noch Dinge zu klären», «die Kandidatin müsse sich noch beweisen». Doch hinter diesen Formeln steckt oft eine tiefere Wahrheit: Die Angst, dass niemand das Werk so führen kann, wie man es selbst geführt hat. Oder schlimmer: Dass das Werk ohne einen selbst gar nicht weiterlebt.
Die Illusion des perfekten Nachfolgers
In der Nachfolgeliteratur wird oft von «Fit» gesprochen: kulturellem Fit, strategischem Fit, persönlichem Fit. Studien, etwa vom «KMU Nachfolgemonitor» der Credit Suisse oder der ZHAW, zeigen: Der Wunsch nach einer «perfekten» Nachfolgeperson ist einer der Hauptgründe, warum Übergaben verzögert werden oder scheitern. Doch genau dieser Wunsch ist oft eine Projektion: eine Idealvorstellung, die es in der Realität kaum geben kann.
Die ideale Nachfolge ist eine Illusion. Niemand wird jemals dieselbe Vision, dieselbe Leidenschaft, dieselbe Erfahrung mitbringen wie der Gründer oder die Gründerin. Muss auch nicht. Vielleicht ist es gerade die Andersartigkeit, die das Unternehmen in die Zukunft führen kann. Der grösste Fehler in Nachfolgeprozessen ist oft nicht der Mangel an guten Kandidaten – sondern der Versuch, eine Kopie von sich selbst zu finden.
Die Frage hinter der Frage
Was, wenn keiner genügt? Diese Frage ist meist keine Frage über die anderen – sondern über sich selbst. Genüge ich, wenn ich loslasse? Genügt mein Lebenswerk, auch wenn es verändert wird? Genügt es, wenn ich nicht mehr dazugehöre?
Diese Selbstzweifel sind menschlich – und doch tabuisiert. Denn Unternehmerinnen und Unternehmer gelten als Macher. Als Entscheider. Als Menschen, die gestalten, nicht hadern. Und genau deshalb fehlt oft der Raum, um über den inneren Abschied zu sprechen, der mit der Nachfolge einhergeht.
Unvollkommen übergeben: die Kraft des Offenen
Vielleicht liegt in der Annahme, dass keiner genügt, eine Einladung. Eine Einladung, das Prinzip der Übergabe neu zu denken. Nicht als Übergabe an den «einen Richtigen». Sondern als bewusste Erlaubnis zum Wandel.
In der Natur gibt es keinen perfekten Übergang. Kein Blatt fällt exakt im richtigen Moment. Keine Jahreszeit beginnt ohne Reibung. Und dennoch geht das Leben weiter. Vielleicht ist Nachfolge nicht das Ende eines Kapitels – sondern der Anfang eines neuen Stils. Nicht die Kopie eines bestehenden Tons – sondern der Übergang in eine neue Tonart.
Praktisch heisst das: Übergaben dürfen auch fragmentarisch, provisorisch, hybrid sein. Ein Beirat kann Brücken schlagen. Eine Doppelspitze kann Übergangszeit schaffen. Ein externer Coach kann Spannungen auffangen. Und manchmal hilft es, das Unternehmen erst teilweise zu übergeben – oder in eine andere Struktur zu überführen: eine Stiftung, eine Genossenschaft, eine Holding mit mehreren Teilhabern.
Psychologische Sicherheit: Die geheime Zutat
Was Nachfolgen gelingen lässt, ist selten nur die Strategie – sondern vor allem psychologische Sicherheit. Diese entsteht, wenn sich alle Beteiligten gesehen, gehört und gehalten fühlen. Wenn es nicht nur um Zahlen geht, sondern auch um Gefühle. Nicht nur um Kontrolle, sondern auch um Vertrauen.
Gerade deshalb braucht es oft eine externe Moderation – eine Mediation, ein Coaching, ein Retreat. Denn das Gespräch über die Nachfolge ist selten ein Gespräch über das Geschäft. Es ist ein Gespräch über Liebe, über Angst, über Herkunft und über Zukunft. Wer das erkennt, hat die Chance, das eigentliche Thema zu berühren – und es nicht hinter Businessplänen zu verstecken.
Übergabe ohne Über-Ich
Was, wenn keiner genügt? Dann ist vielleicht nicht die Nachfolge gescheitert – sondern die Vorstellung, sie müsste perfekt sein. Vielleicht ist das eigentliche Geschenk, das man einem Unternehmen machen kann, nicht die perfekte Übergabe – sondern die Erlaubnis, unvollkommen weiterzuwachsen.
Nachfolge ist keine Rechenaufgabe. Sie ist ein Beziehungsgeschehen. Wer es wagt, sie als solches zu führen, wird am Ende vielleicht nicht das Gefühl haben, «den Richtigen» gefunden zu haben – aber etwas viel Grösseres: Frieden mit dem Loslassen.
Retreat Nachfolgeregelung
Loslassen ist keine Technik
Übergeben: Retreat zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge. Für Unternehmerinnen und Unternehmer, die nicht nur das Geschäft übergeben, sondern auch Verantwortung, Haltung und Vertrauen.
Es geht nicht darum, Antworten zu liefern – sondern die richtigen Fragen zuzulassen.
Nicht darum, fertig zu werden – sondern reif zu werden für das, was kommt.
Wenn Sie spüren, dass Nachfolge mehr ist als ein juristischer Akt – mehr Beziehung als Besitz – dann sind Sie bereit für den nächsten Schritt:
🌀
ÜBERGEBEN
Retreat zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge
Hier buchen